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Claus Bachs Bildarchiv: Wo ist das Revolutionslametta?
15. November 2023 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Nachdem noch vor einigen Jahren mit bisweilen üppigem Freiheitspathos dem Fall der Berliner Mauer gedacht wurde, scheint sich jenes Ereignis aus dem öffentlichen Gedächtnis klammheimlich verabschiedet zu haben. Sieht man einmal von den Aktivitäten einschlägiger Stiftungen und Organisationen ab. Nun ist es ein Fall für die Geschichtsbücher im Schulunterricht. Oder einer für Historiker. Denn schon vor einigen Jahren verkündete der Journalist Sergej Lochthofen sarkastisch:
„Ein Harvard – Professor wird uns zukünftig die friedliche Revolution samt Mauerfall erklären". Kurzum: Der bunte medialer Strauß aus romantisierender Erinnerung und vergegenwärtigter Erfahrung hat sich offenbar aufgebraucht. Bis auf Streitigkeiten um das in Planung befindliche „Denkmal der Freiheit" ist von der Angelegenheit auffallend wenig wahr zunehmen. Früher hatten diverse Veranstalter jene „Wendezeit" noch zur eigenen Selbstdarstellung mittels Aufklärung genutzt. Später wurde die Angelegenheit stellenweise widersinnig. Denn sie wurde ordinär gecovert und für ganz andere Zwecke instrumentalisiert. Der wohl berühmteste Slogan „Wir sind das Volk!" wird allen Ernstes immer noch auf den Pegida – und anderen verschwurbelten Montags-Spaziergängen skandiert. Bis heute auch in Weimar. Jeden Montag ab 18.00 Uhr. Ein außerordentlich bizarres Schauspiel von etwa 100 Spaziergängern mit Losungen, die bisweilen an Comic-Stories erinnern. Offensichtlich mit dem Zweck, eine vermeintliche Umbruchsituation gleich jener des Novembers 1989 zu markieren. Um sich endlich von der Meinungsdiktatur der staatlich gelenkten Medien zu befreien. Und um selbstverständlich gegen die Überfremdung des Abendlands durch Flüchtlinge ein Statement zu setzten und so weiter. Freilich ist das schrill und verbiegt mutwillig historische Zusammenhänge. Und gleichermaßen verhöhnt es so viele, die im November 1989 auf den Straßen im Osten Deutschlands Ihre Bürgerrechte einforderten.
Damals allerdings war das noch extrem riskant. Heute kostet es nix, wenn jene erstrittene Meinungsfreiheit wörtlich genommen und der verkleinerte Dummy eines regierenden Ministers am tragbaren Holzgalgen baumelnd zur Demonstration vorgeführt wird. Doch Obacht. Eines sollte dabei immer glasklar sein: Für jene besorgten Bürger/innen sind selbst die Gelben Seiten des Branchenbuchs übelste Lügenpresse.
Da helfen schon längst keine Aluhüte mehr.
(Claus Bach)
Claus Bachs Bildarchiv: Wo ist das Revolutionslametta?