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Claus Bachs Bildarchiv: Besser spät als nie

01. Oktober 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Der nahende zweite Oktober ist nicht nur der Vorabend der Wiedervereinigung beider Deutscher Staaten. Sondern auch Titel einer Recherche-Webseite im Netz, die minutiös sämtliche Übergriffe rechtsradikaler Gruppen auf linksalternative- und Migrantengruppen am Vorabend des 3. Oktobers 1990 auflistet. Und davon gab es nicht gerade wenige. Organisiert ging jene Szene vor allem gegen besetzte Hausprojekte und Asylantenunterkünfte vor und agierte dabei nicht gerade zimperlich. In Gruppen von mehreren Dutzend wurden besetzte Häuser in Städten wie Berlin, Guben, Leipzig, Eisenach, Erfurt, Magdeburg und anderen gezielt angegriffen. Mittels Molotov-Cocktails, handlicher Pfastersteine und dergleichen. Die Besetzer waren meist im Vorfeld informiert und hatten ihre Häuser rechtzeitig verbarrikadiert. Laut einem Text der Lokalpresse hatten sich in Weimar am 2. Oktober 1990 etwa 150 Neonazis gegen 21.45 Uhr vom Goetheplatz zum besetzten Haus Gerberstraße 3 in Bewegung gesetzt und das Haus und seine Bewohner angegriffen. Unüblicherweise waren Einsatzkräfte der Polizei in großer Zahl vor Ort und hatten eine Eskalation verhindert. Ein Zug der Bereitschaftspolizei aus Erfurt samt Hundestaffel vertrieb die Neonazis nach reichlich einer Stunde. Aber das war nicht die Regel, sondern eher das Gegenteil der Fall. Denn meist war die Polizei den angreifenden Neonazis zahlenmäßig vollends unterlegen und schritt erst gar nicht ein. Damals hießen jene Neonazis im einschlägigen Sprachjargon noch schlicht „Glatzen" und waren an ihren markanten Outfits sofort auszumachen. Als da wären Bascaps, Bomberjacken, enge Jeans und die unvermeidlichen Springerstiefel. Das hat sich bekanntermaßen grundlegend verändert.

Am Vorabend der Feierlichkeiten zum Vollzug der Deutschen Einheit im Jahr 1990 kam es laut besagter Rechercheseite in über 40 Städten zu neonazistischen Angriffen und Ausschreitungen. Bereits knapp zwei Jahre später sollte sich herausstellen, dass jene Übergriffe nur der Beginn einer Welle rechter Gewalt waren. Die Ausschreitungen auf die Asylantenunterkunft in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 galten als deren trauriger Höhepunkt.
Die Webseite „zweiteroktober90.de" existiert erst seit dem Jahr 2020 und wird von Aktivisten und Forschern aus Jena betrieben. Reichlich spät.
Doch besser spät als nie.

Claus Bach


 

Weitere Informationen finden Sie unter: https://zweiteroktober90.de/

 

Claus Bachs Bildarchiv: Besser spät als nie

Autor: nbv