Radio Beiträge

Claus Bachs Bildarchiv: Bilderwelten, silbern schimmernd

12. Oktober 2022 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Ausstellung: „Neue Wahrheit? Kleine Wunder!" - Kunstsammlung Jena, Foto: Claus Bach
Ausstellung: „Neue Wahrheit? Kleine Wunder!" - Kunstsammlung Jena, Foto: Claus Bach

Wer in diesen Tagen einen Besuch in die Ausstellungsetage der Städtischen Kunstsammlungen Jena riskiert, wird auf eine Show der besonderen Art treffen. Denn dort werden auf einer Etage nichts anderes als die Anfänge der Fotografie verhandelt. Und das in außerordentlich expliziter Art und Weise. Nun ist das eigentlich nichts wirklich Neues. Zahlreiche Fotografie-Museen stellen seit Jahren jene Apparaturen und Artdefakte aus. Freilich je nach Dichte ihres Sammlungsfundus. Womit wir bei der in Jena präsentierten Ausstellung wären. Denn die ist nicht wie üblich aus verschiedenen Orten zusammengeliehen, sondern zeigt ausschließlich den Bestand des umtriebigen Münsteraner Sammlers und Kuratoren Dr. Hans Gummersbach. Seit Jahren erweitert er sein Archiv ältester Bildherstellungsverfahren, Betrachtungsapparaturen und Fotografien des 19. Jahrhunderts. Die findet man nun in Jena auf 12 Räume verteilt, die wie Kapitel einer Entwicklung konzipiert wurden:

Von der Camera Obscura bis hin zu ersten mittelgroßen Holzkästchen mit zentraler Linsenoptik. Den Kern der Ausstellung bilden allerdings sogenannte „Daguerrotypien". Benannt nach Ihrem Erfinder, dem französischen Dekorationsmaler Louis Jaques Mandé Daguerre. Im Speziellen sind das kleine Kupferplatten als Bildträger, auf dem das fotografierte Motiv erst unter Beleuchtung silbrig schimmernd zu erkennen ist. Meist sind diese Porträtaufnahmen kunstvoll gerahmt oder in kleine samten veredelte Holzetuis eingefasst. Manche wirken fast wie Bilderschatzkästchen, zumal es immer Unikate sind. Des Weiteren fallen Bildbetrachtungsapparuteren auf, die noch vor der Erfindung der Fotografie hergestellt wurden.

Als da wären Stereo-Betrachter und sogenannte Faltperspektiven farbig angelegter Postkarten, die heute wie filigrane Bastelarbeiten anmuten. Dabei waren sie im frühen 19. Jahrhundert eine räumliche Faltbildpräsentation besonderer Ereignisse jener Zeit und befanden sich in vielen Wohnzimmern der gehobenen Mittelschicht. Heute würde man sowas schlicht Statussymbol nennen.

Aber auch erste Beispiele der Street-Fotografie sind präsent. Im Speziellen die Bilderserie „Streetlife in London" des Jahres 1876. Der schottische Fotograf John Thompson hatte als einer der ersten seiner Zunft Alltagsszenen im London jener Zeit aufgenommen und danach als sogenannte „Woodburytypien" präsentiert. In Kooperation mit dem kritischen Journalisten Adolph Smith wurde eine 37 teilige Bildserie über die Armut in der britischen Metroploe produziert und damit zentrale Ansätze des späteren Fotojournalismus vorweg genommen. Und genau das ist das Besondere. Die Ausstellung mit dem Titel „Neue Wahrheit? Kleine Wunder!" ist noch bis zum 30. Oktober 2022 in den Räumen des Stadtmuseums Jena zu sehen.

(Claus Bach)

 

Weitere Beiträge von Claus Bachs Bildarchiv können Sie hier nachhören.

Claus Bachs Bildarchiv: Bilderwelten, silbern schimmernd

Autor: nbv