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Claus Bachs Bildarchiv: Bock und Gärtner

18. Januar 2023 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Schon seit Jahren ist die Zahl verschiedenster TV-Serien in Mediatheken und Streaming-Plattformen ins Inflationäre gestiegen. Neben dominierenden Mystery- und Crime-Inhalten entwickeln sich zusehens auch jene mit geschichtlichem Hintergrund. In besagten Mediatheken meist irritierend in der Rubrik „Drama" zu finden. Warum auch immer. Und meist kommen die dann eher belehrend denn spannend oder erhellend daher. Ganz anders verhält es sich mit der neueste Miniserie "Bonn - Alte Freunde, neue Feinde" des öffentlich-rechtlichen TV. Sie führt expilzit vor, wie stark der Verwaltungs-, Justiz-, und Sicherheitsapparat der jungen Bonner Republik Westdeutschlands in den frühen 1950iger Jahren von ehemaligen Altnazis dominiert und gelenkt wurde. Anhand historisch existierender Figuren und fiktiver Handllungsstränge wird ein komplexes Bild jener Zeit beeindruckend verdichtet. Dabei werden auch exemplarisch persönliche Schicksale im Nachkriegsdeutschland nicht romantisiert, sondern berührend mit der Handlung verwoben. Am Ende des Sechsteilers ist man schlicht fassungslos, wie außerordentlich perfekt das Netzwerk ehemaliger NS-Angehöriger im Westen Deutschlands funktioniert hat. Von der organisierten Fluchthilfe ehemaliger Nazi-Granden bis hin zur Aufstellung einer paramilitärischen Gruppe. Unter mutwilliger Tolerierung der West-Alliierten. Benutzerdefiniert wurde der Bock ordinär zum Gärtner gemacht. Denn der gemeinsame Feind stand im Osten und hieß schlicht Kommunismus. Starker Tobak, der eigentlich längst bekannt sein dürfte und so ganz neu nicht mehr ist. Allerdings meist nur für die Gruppe der sogenannten „Special Interest".

Und selbst für die liegen erst seit einigen Jahren konkrete Zahlen auf dem Tisch. Im Speziellen in der umfangreichen Publikation „Die Akte Rosenburg" aus dem Jahr 2016. Denn die listete erstmalig besagte westdeutsche Nachkriegsgeschichte der Justiz in akribisch recherchierten Zahlen auf:

„Von 170 Juristen, die zwischen 1949 und dem Anfang der 1970er Jahre in Leitungspositionen gewesen seien, gehörten 90 der NSDAP an. 34 von ihnen seien zugleich in der SA gewesen.

Und auch die Folgen wurden deutlich: „Die Strafverfolgung von NS-Tätern sei hintertrieben, die Diskriminierung einstiger Opfer wie Homosexuelle oder Sinti und Roma fortgesetzt worden. Zudem seien Gesetze etwa im Jugendstrafrecht nur „oberflächlich entnazifiziert" worden. Ab 1959 habe die Bundesregierung sogar ein geheimes Kriegsrecht entworfen."

Reichlich vier Jahre hat besagte Recherche gedauert.

Der ernüchternde Kommentar des Leiters jener Historiker-Kommission bringt es auf den Punkt: „Die Zahl sei deutlich höher als erwartet."

Also hatte unser damaliger Geschichtslehrer aus DDR-Zeiten offensichtlich recht. Und sogar die Lehrerin für Staatsbürgerkunde.

Zum Kichern. Denn selbstverständlich wurden jene bundesdeutschen Zustände zum ideologischen Fundament und Mantra der DDR-Propaganda. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt.

 

(Claus Bach)

Claus Bachs Bildarchiv: Bock und Gärtner

Autor: nbv