Radio Beiträge
Claus Bachs Bildarchiv: Der dämliche Rest
02. Oktober 2019 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
»Wir waren doch der letzte Husten«, bemerkte kürzlichein Pfarrer der evangelischen Kirche Sachsens zur Situation vieler Bürger in der ehemaligen DDR. Und weiter: »Ging man auf ein Amt, war man dem Personal mehr als nur lästig und störte den Alltag.«
In der Tat hatten damals viele diese Erfahrung gemacht und sie Jahrzehnte später schlicht vergessen. Angesichts ganz anderer Nöte im heutigen Neufünfland ist das fast verständlich. Und wenn spätestens aktuelle Studien zu Arbeitslosigkeit, Einkommensverhältnissen und Kindergartenplätzen in Deutschland eingeblendet werden, grinst fies die Umrisskarte der alten DDR auf dem Bildschirm. Das ist gemein. Schließlich war das vor 30 Jahren anders gedacht. Doch bekanntlich wurde der deutsche Osten in den frühen 1990iger Jahren wirtschaftlich zünftig filetiert. Sprich benutzerdefiniert verödet.
Und schneller, als man »Blaubeerkuchen« aussprechen konnte, waren auch plötzlich sämtliche Insignien der vergangenen DDR verschwunden und alle Bürger über Nacht Widerstandskämpfer
geworden. Bis auf jene, die offen den Verlust ihres Heimatlandes beklagten, in dem es allen vermeintlich gut ging – mit niedrigen Lebenshaltungskosten, gesichertem Arbeitsplatz bis zur Rente und so weiter. Eine heile, künstliche Puppenstubenwelt, wie geschaffen für Polit-Abstinenzler und Mitläufer.
So erklären sich auch immerwährende Nostalgiewellen und deren bizarre Auswüchse wie folgender:
»60 Jahre DDR mit Siegmund Jähn – unser erster Mann im All« wurde im Jahre 2009 auf die Rückseite des ehemaligen DDR Fünf Mark-Stücks geprägt. Mit 999er Gold-Auflage. Die Anzeigenseite einer Fernsehzeitschrift warb damals sogar mit einer Tausch-Aktion. Seit dem kürzlichen Tod Sigmund Jähns dürfte nun der Wert dieser Münze deutlich steigen.
Anders als jener vieler heutiger Regionen Neufünflands.
Nachsatz: Noch in den Sommerwochen der 1989iger Ausreisewellen erfuhr die Abkürzung »DDR« im Volksmund eine andere temporäre Übersetzung: Sie hieß schlicht »Der dämliche Rest« und meinte all jene Zeitgenossen/Innen, welche damals allen Ernstes in ihrem Land bleiben wollten. Monate später sollte das zur ironischen Fußnote der Geschichte werden.
(Claus Bach)
Weitere Beiträge von Claus Bachs Bildarchiv können Sie hier nachhören.
Claus Bachs Bildarchiv: Der dämliche Rest
