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Claus Bachs Bildarchiv: Die Viererbande

17. Oktober 2018 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Ausnahmsweise ist das mal kein mysteriöses Gangsterquartett, sondern die süffisante Bezeichnung für vier Chefkünstler der ehemaligen DDR. Genauer gesagt die vier Malerfürsten. Als da wären Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte und Werner Tybke. Alle waren perfekte Vertreter der figürlichen Malerei und außerordentlich versiert in der Darstellung des einfachen Menschen. Selbstverständlich kritisch verschlüsselt und doch meist ideologiekonform. Ihre internationalen Weihen erhielten sie bereits zur VI. documenta im Jahre 1977. Was von den damaligen DDR-Chefideologen entsprechend gewertet wurde: Als eine Bestätigung der wegweisenden Malerei des ersten deutschen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaates und so weiter. Fünf Jahre später waren jene vier dann endgültig im westlichen Kunstbetrieb angekommen. Das berühmte Kölner Sammler-Ehepaar Peter und Irene Ludwig verlieh ihnen die kompatiblen Weihen. Durch spektakuläre Ankäufe. Ein ordinärer Kunstmarkt-Klassiker: Denn figürliche Malerei war im Westen 1983 eine Marktlücke und Gegenstück zur sonst gängigen abstrakten Kunst. "Da kann man endlich was erkennen.", titelte sogar der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. Und ließ sich gleich mal von einem der vier, dem Maler Bernhard Heisig, porträtieren.

Von nun an war DDR-Kunst ausschließlich durch figürliche Malerei terminiert. Offensichtlich existierte nichts anders drüben in der Zone. Und alle Kunstmedien kolportierten jenen Zustand auch noch. Freilich Pech für all jene, die dort anders arbeiteten. Denn die gab es medial überhaupt nicht. Weder in Ausstellungskalendern noch Rezensionen.

Das es mitnichten anders war, zeigt nun eine kleine, aber feine Publikation des Leipziger Kultursoziologen Bernd Lindner. Sie nennt sich "Nähe und Distanz. Bildende Kunst in der DDR". Auf knapp 180 Seiten beschreibt Lindner die Entwicklung der Malerei vom verordneten sozialistischen Lehrbuch-Realismus bis hin zu eigenständigen kritischen Positionen vieler Künstler. Ikonen der DDR-Kunst sind dabei genauso vertreten wie unbekannte radikal-widersprüchlichen Arbeiten. Die freilich so gar nicht ins sozialistische Alltagsbild passten und selbstverständlich ignoriert wurden. Freilich ist das nicht die erste Publikation jener Art. Neu allerdings ist eines: Lindner stellt die Frage nach dem künstlerischem Bestand jener Malerei und seiner Nachwirkung bis in unsere Gegenwart. So spannt er einen erhellenden, aber auch nicht unkritischen Bogen zu aktuellen Künstler/innen der sogenannten Neuen Leipziger Schule und ihren mittlerweile erfolgreichen Galerien. Ohne dabei Idealisierungen zu verfallen. Und genau das ist das Besondere. Praktisch ist auch die Erscheinungsform der Publikation. Im Taschenbuch-Format ist sie nicht nur sehr handlich, sondern auch kostengünstig in der Landeszentrale für politische Bildung Thüringens zu erwerben.

(Claus Bach)

 
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Autor: nbv