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Claus Bachs Bildarchiv: Ernüchterndes Dejá vù
04. Mai 2022 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Dass die Propaganda des russischen Staatsfernsehens immer bizarrer wird, ist mittlerweile Teil des medialen zeitgenössischen Allgemeinwissens geworden. So, wie Wasser nass macht. Doch es geht noch irrer. Denn am vergangenen Montag legte der Sender „Rossia1" nach und simulierte gleichmal die Vernichtung Europäischer Metropolen im Sekundentakt. Eingeblendet wurde die rot eingefärbte Karte Europas, auf der drei gebogene gelbe Linien den Kurs atomarer Marschflugkörper von der russischen Enklave Kaliningrad in Richtung dreier europäischer Metropolen darstellen. Dabei steht über diesen Städten jeweils eine Sekundenanzahl. In 106 Sekunden wäre Berlin, in 200 Sekunden Paris und in 202 Sekunden London mittels besagter Marschflugkörper vernichtet.
Als smarte Vorwarnung könnte man ja schon mal Stoppuhren an die Bürgermeister der betreffenden Städte verschicken. In einer weiteren russischen Fernsehsendung wurde dann auch die Verwendung einer neuen Unterwasserrakete explizit auf Irland und Großbritannien zelebriert. Deren Wirkung würde Irland komplett überschwemmen und Großbritannien in eine radioaktive Wüste verwandeln, moderierte zynisch grinsend ein Propaganda – Funktionär. Selbstverständlich stellt Russlands Außenminister gebetsmühlenartig klar, dass man nicht mit einem Atomkrieg spiele und so weiter. Und ebenso selbstverständlich ist das Gegenteil der Fall.
Gleichwohl erinnern derartige zeitgenössische Simulationen an die 1950iger Jahre. Also die längst überwunden geglaubte Zeit des kalten Krieges. Bekanntermaßen wurden damals auf beiden Seiten ähnliche apokalyptische Szenarien durchgespielt. Freilich in anderen Erscheinungsformen wie Stopp – Motion Animationen, Cartoons und dergleichen.
Und jene Zeit war auch die Geburtsstunde des Science Fiction Films.
In deren Fortsetzung Endzeit – Trümmerfilme besonders spektakulär gerieten und bisweilen kommerziell erfolgreich wurden. Man denke auch an die weniger erfolgreiche Verfilmung des postapokalyptischen Romans „Malevil" des französischen Autoren Robert Merle aus dem Jahr 1981. Der spielte die Zeit des Überlebens nach einem Atomkrieg durch und löste außerordentliche Beklemmung aus.
Bis vor einigen Monaten ging sowas ja noch als abgehakte Filmhistorie durch, die bestenfalls in neuesten Hollywood – Blockbustern Aufmerksamkeit und Zuschauerzahlen generierte. Nun aber scheint jene Fiktion erneut unsere Realität einzuholen. Und das ist leider mehr als beunruhigend.

Bildquelle: Screenshot einer Talksendung von Rossia1, veröffentlicht bei Focus online: https://www.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/sie-verstehen-es-nicht-anders-in-russischem-tv-ruft-duma-abgeordneter-zum-atom-schlag-gegen-den-westen-auf_id_92886813.html
(Claus Bach)
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