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Claus Bachs Bildarchiv: Ewig verbunden

26. November 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Titel: Das Grab Oscar Wildes auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise im November 2006, Foto: Claus Bach
Titel: Das Grab Oscar Wildes auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise im November 2006, Foto: Claus Bach

Auf wohl kaum einem anderen Friedhof der Welt ist die Dichte der Promis aller Couleur größer als auf dem namens Père Lachaise in Paris. Was angesichts der Stadt und ihrer Geschichte kein großes Wunder sein dürfte. Im frühen 19. Jahrhundert wurde er als Parkfriedhof neu angelegt und ist mit seinen rund 69000 Grabstätten auch der größte.

Und selbstverständlich Touristenattraktion und Pilgerstätte. Anlaufpunkt und Kultstätte für Verehrer*innen der jeweiligen Persönlichkeiten der älteren und jüngeren Zeitgeschichte. Allein der kleine Grabquader des amerikanischen Sängers und Poeten Jim Morrison erfährt in der Hochsaison regelrechte Besucherattacken. So dass er zeitweise von Beamten der örtlichen Polizei bewacht werden muss. Unweit seines Grabes befindet sich auch noch ein anderes, welches nicht minder frequentiert wird. Das des irischen Dramatikers und Schriftstellers Oscar Wilde. Zu Lebzeiten war er durch seine teils homoerotischen Schriften und Stücke berühmt geworden und galt als äußerst skandalumwittert. Völlig mittellos verstarb er am 30. November 1900 und wurde zunächst in einem Armengrab beigesetzt. Neun Jahre später wurde Oscar Wilde auf den Friedhof Père Lachaise umgebettet. Im Jahr 1914 wurde die kultisch-mystische Felsskulptur einer schwebenden Sphinx auf seinem Grab errichtet. Geschaffen vom amerikanisch-britischen Bildhauer Jakob Epstein. An einem großen Quader mit dem Namen des Dichters ruht die riesige Figur mit seitlich angelegten Armen, aus der früher noch ein übergroßer Phallus ragte. Letzterer wurde des Öfteren abgeschlagen, ersetzt und wieder abgeschlagen. Bis man es aufgab und das Teil nicht mehr erneuerte. Und noch vor Jahren war sein großer Sockel mit unzählig farbigen Abdrücken von Kussmündern bedeckt.

Als enge körperliche Verehrung in zinnoberrot, blau, pink, violett und grün. Aus der Ferne sah das zunächst wie Tapete aus. In unmittelbarer Nähe umwaberte das Grab eine markante Wolke aus Patschuli-Amber Parfum. Je nach Jahreszeit entsprechend intensiv. Manchmal umschleichen fotografierende Frauen die Skulptur, manchmal Männer. Einmal baumelte ein auffällig weinroter Herrenschlips am Fuß der geflügelten Sphinx-Figur. Von fremder Hand in Sympathie drapiert. Über die Jahre zersetzten die Chemikalien und Fette der vielen Lippenstift-Abdrücke den Steinsockel des Grabmals. So dass er nach seiner Reinigung und Sanierung allseitig von vier hohen transparenten Acrylwänden geschützt wird. Was zur Folge hatte, dass sich die Grab-Küssenden spontan einen anderen permanenten Ort der Verehrung suchten. Seither wird die Rinde eines großen Baumes gegenüber dem Grab geküsst. Selbst die Acrylwände vor der Grabskulptur zeigen neuerdings Lippenabdrücke. Will heißen: Wahre Zuneigung fand schon immer einen Weg und ist niemals tot zu kriegen.

 

(Claus Bach)

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Autor: nbv