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Claus Bachs Bildarchiv: Garantiert recherchefrei

23. Januar 2019 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Bild: Martin Kraft (photo.martinkraft.com) Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de via Wikimedia Commons
Bild: Martin Kraft (photo.martinkraft.com) Lizenz: creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de via Wikimedia Commons

...verhielten sich nicht nur die Werbetexter des Modeunternehmens "Peek & Cloppenburg". Im vergangenen Jahr hatten sie den von den Nazis im KZ Buchenwald bei Weimar missbrauchten Spruch "Jedem das Seine" für eine Werbebroschüre in Dresden genutzt. Die warb für eine Kollektion weißer Hemden mit bunten Krawatten. Nach dem öffentlichen Protest eines Politikers der Partei der Linken entschuldigte sich das Unternehmen selbstverständlich in aller Form und entfernte den Spruch auch von seiner Webseite. Man wollte freilich nicht die Gefühle anderer verletzen. Doch das ist keinesfalls das erste Mal. Immer deutlicher wird die offensichtlich enthemmte geschichtsfreie Nutzung von Zitaten und Aussprüchen durch die Texter der Werbebranche. Selbstverständlich geht es stets um schlagkräftige Reklame im Rahmen des zeitgenössischen Hochleistungswettbewerbs.
Und wenn es sich dann noch mit einem Skandal wie diesem verbindet, werden auch die Kritisierenden effektiver Weise Teil der Kampagne. Bleibt offen, ob dieses unterstellende Kalkül nun wahr oder erfunden ist. Wahr ist jedenfalls, dass jener ursprüngliche Ausspruch der griechischen Philosophie "Jedem das Seine" in den letzten 22 Jahren schon des Öfteren gern genommen wurde. Nachfolgend eine kleine, wahrscheinlich unvollständige Nutzungschronik:
1997 warb damit erstmals die Firma "microsoft" für Bürosoftware.
1998 nutze der Konzern "NOKIA" den Ausspruch.
1999 warb damit das Nahrungsmittelunternehmen "Rewe" für Grillzubehör,
1999 stand "Jedem das Seine" auf den Faltblättern der Erfurter Filiale "Burger King".
2001 war der Spruch auf einer Werbeaktion der Münchner "Merkur-Bank" zu lesen. Im gleichen Jahr ließ sich dann auch die deutsche Telekom nicht lumpen und titelte "Jedem das Seine" in ihrer Werbebroschüre.
2009 hatten die Firmen "Tschibo" und "Esso" den Spruch für eine ihrer Kampagen genutzt.

Befragt nach den Ursachen, winden sich die Akteure meist wie die Aale:
Man hätte "das nicht gewusst" oder "könne nicht verstehen, dass die Vergangenheit so hochgespielt wird" und so weiter.
Dann folgen die Bereuungs-Rituale inklusive selbstverständlichem Stopps betreffender Aktion.
Doch offensichtlich wird in der Werbebranche der kritische Verweis auf den Missbrauch diverser Nazi-Sprüche eher als eine Art lästige Zensur durch verbildete Intellektuelle, Journalisten und Politiker gesehen.
Anders ist die immer währende Benutzung des KZ-Spruchs nicht mehr zu erklären. Schlichte Recherche-Faulheit und Intellektuelle Einfalt wird offensichtlich mit Kreativität verwechselt.
Und wird es vermutlich nur eine Frage der Zeit sein, bis "Jedem das Seine" als Titel der Kampagne für eine Lebensversicherung in unseren Briefkasten landet. Immer offen für neue Horizonte oder so ähnlich.

(Claus Bach)

 
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Autor: nbv