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Claus Bachs Bildarchiv: Geschüttelt und gerührt

05. August 2020 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

In den letzten Tagen wurde ungewöhnlich oft und zahlreich über die "Demonstration für die Freiheit und gegen die Corona- Politik der Bundesregierung" am 1. August in Berlin berichtet und gestritten. Das begann schon mal bei der Anzahl der Demonstranten. Während Veranstalter und filmende Teilnehmer mal schnell 800.000 bis 1,2 Millionen ausriefen, brachten es Zählungen seitens der Polizei und verschiedenen Medienvertretern auf reichlich 20.000. Was wiederum von vielen Akteuren/innen als typisches Beispiel der staatlich gelenkten Lügenpresse interpretiert wurde. Nur äußerst widerwillig mussten aber jene dann auch verkünden, das ihre Demo wegen mutwilligen Nichteinhaltens der Pandemie-Schutzbestimmungen von der Polizei aufgelöst worden war. Dennoch feierten die Anwesenden ihre Aktion als eindrucksvollen Beweis für ihr selbstbestimmtes Leben und dem unzerbrechlichen Volkswillen nach persönlicher Freiheit und so weiter. Dennoch dürfte diese Demo jener "Covidioten" respektive Corona-Leugner/innen in die jüngste deutsche Geschichte eingehen. Denn ihre personelle Zusammensetzung war so ungewöhnlich wie noch nie zuvor. Eine Melange aus Hipstern, Linken, Rechten, Späthippis, den üblichen Verschwörungstheoretikern und Normalbürgern. Selbst eine kleine Abteilung der "Omas gegen Rechts"-Bewegung hat der Sozialwissenschaftler Gerhard Hanloser ausmachen können. Er hatte sich im Selbstversuch als Privatperson unter das Demonstranten-Volk gemischt und seine bisweilen verstörenden Eindrücke aufgeschrieben. Herausgekommen ist eine außerordentliche detaillierte Betrachtung in zehn Kapiteln, der die Stimmung der Corona-Leugner, Medien- und Regierungskritiker aussagekräftig wiedergibt. Nachfolgend einige Auszüge:

"...Tatsächlich ist der Anteil derjenigen unter den Demonstrierenden, die ein Liebesbedürfnis artikulieren (die Massierung an Herzchen und Liebesbekundungen reichte an Woodstock und die Loveparade heran) und gleichzeitig eine unbändige Wut und einen Hass in sich tragen und diesen auch bekunden und sich Objekte ihrer Aggressionen schaffen (Regierung, Lügenpresse, Bill Gates, Drosten), erschreckend hoch.... Ein, zwei eher intellektuelle Alt-Linke sind auch auf der Demo gut zu erkennen: Einer schiebt sein Fahrrad und hat den Satz von Hannah Arendt "Niemand hat das Recht zu gehorchen" auf ein Schild gemalt. Ein anderer hält das Schild hoch "Der Hobbes'sche Leviathan wird gefüttert durch unnötiges Tragen von Masken! Diese Nebenwirkung der Maske ist den meisten Benutzern unbekannt." Derart und an diesem Platz verkehrt sich Aufklärungsimpetus in Gegenaufklärung...Innerhalb der Demo gab es, von den erwähnten marginalen Anti-Nazi-Bekundungen abgesehen, keine einzige kritische oder provokante Aktion, weder Kritik im Handgemenge noch der Versuch der Aufklärung." Sätze wie diese können bisweilen eine gewisse Sprachlosigkeit hinterlassen. Angesichts einer noch nie dagewesenen Situation. Nachzulesen ist Gerhard Hanlosers Erfahrungsbericht auf dem Blog "Eyes wide shut" des Autoren Wolf Wetzel.

(Claus Bach)

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Claus Bachs Bildarchiv: Geschüttelt und gerührt

Autor: nbv