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Claus Bachs Bildarchiv: Heisig entpacken

22. Januar 2020 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Der Leipziger Maler Bernhard Heisig gehörte zur sogenannten »Viererbande« der DDR. Das war ein Quartett von Malerfürsten, welche unangefochten an der Spitze der Hackordnung staatstragender, sehr gut bezahlter Auftragskunst standen. Ende der 1950iger Jahre beauftragte ihn das Museum für Deutsche Geschichte, eine malerische Darstellung des »Kapp-Putsches« zu schaffen. Schon immer hatten Heisig Darstellungen historischer Szenen umgetrieben. Insbesonder die Düsternis gesellschaftlich umwälzender Kämpfe, wie er es selbst gern nannte.
Nach Recherche und ersten Skizzen entstand im Jahre 1960 sein Ölgemälde mit dem Titel: »Gerarer Arbeiter am 15. März 1920«. Es zeigt jenen Moment, an welchem Arbeiter und Bevölkerung die rechtsgerichteten Putschisten besiegt und auf einen Pritschenwagen verbracht hatten. Zur klaren Verortung ist das Stadtzentrum Geras im linken Bildhintergrund aufgemalt. Die Atmosphäre des Bildes ist von jener ambivalenten expressiven Düsternis getragen, welche sich mehr auf existentielle denn symbolische Momente konzentriert. Heisigs grobe Art der figürlichen Darstellung prägt die gesamte Szenerie. Lediglich ein eisernes Kreuz prangte zur Markierung auf dem Pritschenwagen der gefangenen Putschisten. Genau das muss den Auftraggebern nicht wirklich gefallen haben. »Nach längeren Diskussionen kamen wir dann nicht zusammen«, berichtete Heisig in einem Interview des Jahres 1995 über die Entstehung der ersten Fassung seines Bildes. Offensichtlich hatte er die Rolle des kämpferischen Proletariats nicht vollends überzeugend, sprich parteilich überhöht, dargestellt. Daraufhin ruhte die Arbeit an dem Bild.

20 Jahre später jedoch muss der Maler Bernhard Heisig eine Art Wandlung sprich Einsicht in die Notwendigkeit durchgemacht haben. Auf der neuen Variante des Bildes sind nun ganz klar Freund und Feind auszumachen:
Die gefangen genommenen Putschisten tragen allesamt Stahlhelme, welche mit Hakenkreuzen markiert sind. Besagtem Pritschenwagen wurden bedrohlich gebogene Stahlrohre angemalt. Und das revolutionäre durchweg proletarische Volk wurde noch etwas leuchtend-siegreicher dargestellt. Doch bei näherem Betrachten fällt eine gewisse untypische Heisig'sche Schludrigkeit auf. Oder sollte man es malerischen Protest nennen? So sind die Proportionen einiger Körperteile und Gesichter eher surreal verwachsen denn realistisch dargestellt. Auch die Stahlhelme wirken mutwillig dilettantisch aufgemalt. Ganze zwei Drittel des Bildes hat der Künstler übermalt, lediglich der verortende Hintergund blieb eins zu eins erhalten.

Kurzum: Die Geschichte dieses Bildes zeigt ungemein anschaulich, wie der ordinäre malerische Alltagsbetrieb im System der DDR-Auftragskunst funktionierte. Zu sehen ist es in der Sonderausstellung »Gegenrevolution 1920. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch in Thüringen« im Stadtmuseum Weimar.
Eröfffnung am Freitag, dem 24. Januar, 2020, 17.00 Uhr. Freilich gibt es noch mehr zu entdecken.

(Claus Bach)

 
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Autor: nbv