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Claus Bachs Bildarchiv: Historische Erscheinungsbilder

21. Mai 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Der Maibaum und verhülltes Rathaus, Weimar, Mai 2020, Foto: Claus Bach
Der Maibaum und verhülltes Rathaus, Weimar, Mai 2020, Foto: Claus Bach

In diesem Monat jährt sich der erste Corona-Lockdown zum fünften Mal. Zu jenem Zeitpunkt war damals noch keinem klar, wie lange sich jene Pandemie und deren zutiefst einschneidende gesellschaftliche Veränderungen hinziehen würden. Grund genug, eine Zustandsbeschreibung des Stadtbilds Weimars aus jener Zeit nochmals in Erinnerung zu rufen:

Am Denkmal für die US-Armee in der Schwanseestraße in Weimar liegen seit dem Vormittag des 8. Mai 2020 zwei Gedenkkränze, die an die Befreiung vom Faschismus vor 75 Jahren erinnern. Einer vom OB der Stadt Weimar, ein zweiter von Bündnis 90/Die Grünen. Die Kränze wurden derart platziert, dass ein großer Teil der Textzeile auf dem minimalistisch gebrochenem Monolith lesbar bleibt: „...Soldaten, die Thüringen im April 1945 von nationalsozialistischer Diktatur befreiten."

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde an der efeu-bewachsenen Hausfassade ein handgeschriebenes weißes Stofftransparent angebracht. Darauf ist in rot-schwarzen Buchstaben ein Zitat und sein Autor aufgeschrieben: „Kinder können sehr viel selbst. Aber sie können viel nicht alleine." Jener vielsagende Satz stammt vom dänischen Familientherapeuten Jesper Juul und soll freilich auf die gegenwärtig isolierende Situation aller Familien mit ihren Kindern abzielen. Darunter werden stellvertretend alle Beteiligten in einer Art Widmung aufgezählt: Oma, Opa, Freunde, Erzieher, Lehrer, Onkel und Tante, Tagesmutter, Trainer, Cousin.

Des Weiteren sind erste absurde Erscheinungen im öffentlichen Raum auszumachen.

In der transparenten Koje vor einem Lebensmittelmarkt sind zahlreiche Einkaufswagen in einer nach links gebogenen langen Reihe derart ineinander geschoben, dass auf dem Boden zwei weiße Richtungspfeile zu sehen sind. Irritierend weisen sie direkt ins spitze Ende jener Koje. Einer Sackgasse gleich.

An der abgerundeten Ecke eines Jugendstil-Wohnhauses im Stadtring prangt ein weiteres flächendeckendes Transparent mit folgendem Text: „Global solidarity in every crises" steht in weißen Lettern auf rotem Stoffgrund. „Globale Solidarität in jeder Krise".
Eine kämpferisch-universelle Parole in schweren Zeiten.

Am fast menschenleeren Marktplatz ist das Rathaus schon seit Monaten in weiße Planen gehüllt, kommenden Sanierungsmaßnahmen geschuldet. In der Mitte des Platzes steht der Mai-Birkenbaum. Traditionell mit bunten, wehenden Bändern behängt. Stellt man sich unter ihn und blickt gen Himmel und Rathausfassade, ergibt das ein ganz besonderes Bild. Eines, das in symbolischer Art die pandemische Zeit festhält. Selbst das Rathaus der Kulturstadt befindet sich in unfreiwilliger Quarantäne. Ein visuelles Menetekel der ganz besonderen Art.

Claus Bach

 

 

Claus Bachs Bildarchiv: Historische Erscheinungsbilder

Autor: nbv