Radio Beiträge

Claus Bachs Bildarchiv: Ich weiß nicht warum

20. August 2020 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

"Ich weiß nicht warum, aber plötzlich überkam uns eine Art gelassener Ruhe. Und auf einmal waren Zäune nicht mehr wichtig." So beschrieb einer der Organisatoren des Woodstock Musik- und Kunstfestivals die Situation. Beim Anblick von rund 450-tausend Jugendlichen, die sich auf dem Gelände des Milchbauern Max Yasgur zum dreitägigen Genuß zeitgenössischer Folk- und Rockmusik eingefunden hatten. Und weiter: "Wir konnten nicht mal eine Meile einzäunen. Was sagt man ein paar hunderttausend Leuten, die auf deinem Feld sitzen und dir eigentlich Geld geben sollen. Du machst ein dreitägiges Festival zu einer Gratisveranstaltung." Jenen Kommentar hat der amerikanische Regisseur Barak Goodman in seinem gleichnamigen Dokumentarfilm über das Festival als eine Art dramaturgischen Hotspot eingespielt. Nach genehmigter massenhafter Sichtung bisher unveröffentlichten Filmmaterials.

Freilich war der Anlass kein geringerer als das 50-jährige Jubiläum des Ereignisses, welches vom 15. bis 18. August 1969 in White Lake nahe der Kleinstadt Bethel im Bundesstaat New York stattfand. Bisher wurden Woodstock-Jahrestage ja meist mit nostalgisch verklärtem Rückblick zelebriert. Die einen verdrehten genervt die Augen, die anderen verloren sich in romantisierenden Vergangenheitsverklärungen und so weiter. Die Inhaber und Nutzer entsprechender Vervielfältigungsrechte griffen in ihre Archive und präsentierten die einschlägig bekannten Film- und Tondokumente. Doch diesmal ist es anders. Denn Regisseur Goodman spannt mit seiner Doku einen größeren Bogen, indem er ausführlich die Vorgeschichte des Festivals erzählt. Dabei treten vor allem die Befindlichkeiten der US-Jugend und ihre gesellschaftlichen Erfahrungen Ende der 1960-iger Jahre zu Tage. Besucher, Fotografen, Musiker, Organisatoren, Politiker und Polizisten kommen zu Wort.

Dabei war "Woodstock Ventures" als rein kommerziell orientierte Veranstaltung geplant. Heraus kam bekanntlich das Gegenteil. Die wohl berühmteste Ansage des Moderatoren Chip Monk ans Publikum zu Beginn des zweiten Kozerttages brachte es auf den Punkt: "Diese Leute sind also der Auffassung, dass Euer Wohlergehen und die Musik wichtiger sind als ihr Profit...Von jetzt an ist das Konzert eintrittsfrei!" Nüchtern betrachtet dürfte den Investoren angesichts der Anwesenheit von 450.000 erwartungsvollen Jugendlichen auf einer sehr großen Wiese nichts anderes übrig geblieben sein. Doch nur so lässt sich erklären, wie eine derart große Menschenmenge friedlich im wahrhaft schlammigen Organisationschaos zusammen leben konnte. Und genau das war das Besondere. Der Mythos. So sind jene drei Tage zurecht als gelebte temporäre Utopie in die Geschichte eingegangen. Eben nicht nur für die Analen der Rockmusik.

Barak Goodmans Dokumentarfilm wurde auch durch Gelder der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten produziert und ist noch ein Jahr in der Mediathek der ARD zu sehen. Die 95 Minuten lohnen sich. Und die TV-Gebühren dafür allemal.

 

(Claus Bach)

Weitere Beiträge von Claus Bachs Bildarchiv können Sie hier nachhören.

Claus Bachs Bildarchiv: Ich weiß nicht warum

Autor: nbv