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Claus Bachs Bildarchiv: Meine erste Banane
23. April 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
So titelte das westdeutsche Satiremagazin „Titanic" im Jahr 1989 auf dem Cover seiner Novemberausgabe. Zu sehen ist das farbige Porträtfoto einer jungen Frau in ausgeblichener Jeansjacke und roter Kraushaarfrisur, die stolz lächelnd eine geschälte grüne Gurke anstatt der Banane in ihrer linken Hand hält. „Zonengabi im Glück" ist darüber in kleiner schwarzer Schrift auf dem pinkfarbenen Hintergrund getextet. Selbstverständlich war das eine außerordentlich gemeine Anspielung an die vermeintlich unterentwickelten Ostdeutschen, die sofort nach der Wende in den Westen zum Gucken und Südfrüchte kaufen reisten. Nach 36 Jahren wurde genau jenes ikonische Cover zum Einstieg in die neue TV-Reportage des MDR zur Berichterstattung westdeutscher Medien über die neuen Bundesländer. „Abgeschrieben? Der Osten in den Medien" nennt sie sich süffisant. Und zieht eine verstörende Bilanz der journalistischen Berichterstattung über jenes „Neufünfland" seit der Wiedervereinigung. Dabei kommen auch Akteure jener Anfangszeit zu Wort und schildern, wie in den 1990iger Jahren von Westdeutschland aus über den Osten recherchiert und berichtet wurde. In der Regel lief das so: Man reiste für wenige Tage ins betreffende Gebiet, befragte Akteure und Publikum, schrieb den Text im ICE nach Hamburg, Frankfurt am Main oder München. Noch einige Fotos des eventuell mitgereisten Fotografen, und fertig war der Artikel in den relevanten westdeutschen Leitmedien. Deren Verlagskonzerne hatten sich im Jahr 1991 den abgewickelten DDR-Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt über die Treuhand aufgeteilt. Damals waren neu gegründete ostdeutsche Unternehmen finanztechnisch absolut chancenlos. Auch darüber erzählt die Reportage. Und so entstanden im journalistischen Konkurrenzkampf um maximale Aufmerksamkeit jene Klischees über den Osten, die heute mehr denn je verfestigt sind. Sprich unverstanden, demokratiefeindlich, rassistisch und diktaturaffin. Da halfen auch keine objektiv aufklärenden Berichte mehr. Denn die standen medial spätestens nach der nächsten spektakulären überregionalen TV-Reportage über Ausländerfeindlichkeit in Brandenburg, Sachsen oder Thüringen in deren Schatten. Doch erste gute Nachrichten gibt es noch. Denn die nachwachsende Generation von Journalist*innen bearbeiten die verhärtenden Klischees. Und zeigen, wie es anders geht. In dem sie nicht nur lokal temporär berichten, sondern vor Ort leben und arbeiten. Auch davon erzählt der Film. Apropos Thüringen. Der Kabarettist Rainald Grebe kommt auch zu Wort. Der letzte Satz seiner „Thüringenhymne" endet mit den Worten: „Doch warum reduziert man unsere Größe auf Würste und Klöße?". Das ist doch ein erfrischender Ausblick. Besagte Reportage ist ab sofort und unverzüglich in der Mediathek der ARD zu finden. Ebenso ihre 90minütige Langversion vom Oktober 2024 unter dem Titel „Es ist kompliziert. Der Osten in den Medien".
Claus Bach
Reportage „Es ist kompliziert. Der Osten in den Medien": https://kurzlinks.de/01tl
Reportage „Abgeschrieben? Der Osten in den Medien": https://kurzlinks.de/4lqe
Claus Bachs Bildarchiv: Meine erste Banane