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Claus Bachs Bildarchiv: Nicht mehr normal!

29. Oktober 2021 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

"Nicht mehr normal!" - Das sagte kürzlich die Autorin, Kabarettistin und Moderatorin Elke Heidenreich im TV zum Gendern in der deutschen Sprache. Will heißen zu sprachpolitisch korrekten Bezeichnungen der Diversität verschiedenster menschlicher Geschlechter und Hautfarbe. Beispielsweise POC, also "People of Colour" anstatt "dunkelhäutig" oder womöglich "schwarz" und dergleichen. Und holte zu einem verbalen Rundumschlag aus, indem sie vor allem die Auswüchse besagten Genderns heftigst kritisierte. Das gipfele dann in der nachträglichen Korrektur bei der Neuauflage historischerTexte, in denen noch die heutigen Reizworte Worte Mohr, Neger oder ähnlichen vorkommen. Was selbstverständlich eine zensierende und tiefgreifende Veränderung des historischen Kontexts jener Werke zur Folge hat. Damit hatte Elke Heidenreich zünftig polarisiert. Ihr mutwillig polemisches Beispiel der einbeinigen chinesischen taubstummen Dame, die sich in einer Anrede nicht explizit angesprochen fühle und somit unterdrückt würde, brachte die Sache vollends auf den Kontrapunkt. Kurz darauf sah sich die Autorin einem soliden Shitstorm in allen Medien ausgesetzt. Die Vorwürfe reichten von Altersstarrsinn bis hin zu peinlicher Sprachdemenz. Doch die Autorin erhielt auch sehr viel Zustimmung. Denn im Kern hatte sie die zunehmende Sprachhysterie kritisiert, in welche sich unsere zeitgenössische Gesellschaft hinein formuliert hat. So ist eine verstörende Sprachzensur entstanden, deren bizarre Auswüchsein reflexartigen Unterstellungen wie Alltagsrassismus-Vorwürfen und dergleichen münden.

Selbstverständlich unterliegt unsere Sprache immer Veränderungen.
Man denke an die unzähligen Anglizismen der letzten 30 Jahre. Einige haben bis heute überdauert, viele nicht. Aus einem Arbeitstreffen wurde das heute gebräuchliche Meeting, aus einer Geschichte eine Story und so weiter. Ganz zu schweigen vom Wort cool, das seit den 1960iger Jahren zum unangefochtenen Klassiker wurde. Wikipedia verzeichnet bis heute 519 Wörter, die aus dem Englischen ins Deutsche entlehnt wurden. Und auch die Jugendsprache erfindet sich jedes Jahr neu, um danach in großen Teilen wieder zu verschwinden.
Bei allem Streit über die zeitgenössische Sprach-Genderei ist vielen leider ein nicht unwichtiges Moment abhanden gekommen. Jenes der gelassenen Selbstironie. Höchstens das hatte Elke Heidenreich zwischenzeitlich vergessen.

(Claus Bach)

 

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Autor: nbv