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Claus Bachs Bildarchiv: Verrat, allenthalben

21. Februar 2024 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
ACC_IAP_Wandbücher/Wallbooks_1994-2024, Foto: Claus Bach
ACC_IAP_Wandbücher/Wallbooks_1994-2024, Foto: Claus Bach

Im abgedunkelten Raum steht ein dramatisch beleuchteter Schreibtisch. Der sieht auf den ersten Blick so aus, als ob er gründlich für einen Neuanstrich präpariert wurde. Doch der Schein trügt. Denn schon aus seiner geöffneten Frontschublade quellen geschredderte Papierreste. Und auch alle anderen Oberflächen des Tisches erweisen sich bei näherem Hinschauen als etwas völlig anderes. Auf ihnen sind geheimnisvolle Schriftzeilen in grauer Färbung auszumachen, die sich auch um die Kanten des Objekts herum ziehen. Kurzum eine rätselhafte Situation, die außerordentliche Beklemmung auslöst. Selbstverständlich mutwillig. Jener Schreibtisch ist ein Werk der iranischen Künstlerin Raoofeh Rostami und gegenwärtig in den Räumen der ACC-Galerie zu finden. Rostami hatte ihn als einziges Mobiliar im Weimarer Atelierhaus vorgefunden und in ihrem Studio in Teheran nachgebildet.
Des weiteren enträtselt der Infotext die Arbeit dann wie folgt: „Auf ihm und um ihn herum befinden sich Fragmente von aus feinstem Zementstaub per Schablone aufgetragenen farsischen Schriftzeugnissen weltweiter Denunziation, die zerlaufen".
„Search for the Map guide" heißt die Arbeit. Zu deutsch wörtlich übersetzt: „Suche nach dem Kartenführer".
Rostami ist eine von drei Künstler*innen des internationalen städtischen Atelierprogramms, die von der ACC-Galerie eingeladen worden waren und im Jahr 2023 vor Ort agiert hatten. Ausgewählt von einer unabhängigen Fachjury. „Denunciation" war das angesagte Thema und versammelt noch Arbeiten zwei weiterer Akteure.

Die chinesische Künstlerin Jiaqin Mo installierte rosa gefärbte Gebilde auf grünem Kunstrasen in einem durchweg schwarz gefärbten Raum. „Friedhofstrümmer" nennt sich treffend ihre Installation und versinnbildlicht Fleischreste, die auf Geburt, Alter, Krankheit und Tod verweisen sollen.

Also abermals geheimnisvoll - komplexer Tobak. Und auch der türkische Künstler Diren Demin gibt in seiner Projektions-Installation namens „Grab für die gestohlenen Tage" Rätsel auf, die dann ebenfalls per Beschreibung gelöst werden: Gezeigt wird die Anzahl der Tage in Strichen, die der türkische Aktivist Osman Kavala während der sogenannten Gezi-Park-Prozesse zu Unrecht in Haft gesessen hatte.

Doch so ist es halt, wenn Künstler*innen zu komplexen Vorgängen diverser verräterischer Spielarten reflektieren. Da können sich die Besucher schonmal die Show erarbeiten und werden bisweilen selbst Teil von ihr. Und genau das ist das Besondere und macht den Reiz der Sache aus.

Besagte Ausstellung ist die 30. Auflage des Internationalen städtischen Atelierprogramms der ACC-Galerie Weimar. Davon zeugen auch die 14 Wandbücher, welche jene Historie in den Räumen der Galerie greifbar erlebbar machen. Ein durchaus ganzheitliches Erlebnis, für das noch genügend Zeit zum Besichtigen bleiben dürfte. Denn die Ausstellung Denunciation ist noch bis zum 7. April zu besichtigen. Es lohnt in jeder Hinsicht.

 

(Claus Bach)

Claus Bachs Bildarchiv: Verrat, allenthalben

Autor: nbv