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Claus Bachs Bildarchiv: Vom Nobody zum Promi

16. Juli 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Erinnern wir uns: Mitte der 1990iger Jahre war es noch wenigen Computerfreaks und gut betuchten Künstlern vorbehalten: Das digitale Verändern von Fotos menschlicher Körper und Gesichtszüge mittels Bildbearbeitungssoftware. In der Fachsprache „Morphing", zu deutsch „Gestaltwechsel", genannt. Dieser Vorsprung durch Technik wurde freilich zur erfolgsorientierten beruflichen Profilierung genutzt, und so tauchten plötzlich digitalisierte menschliche Flachware-Zombies vor unseren Augen auf. Visuelle Mixturen, bestehend aus dem Kopf eines Mannes, der mit Körper oder Gliedmaßen eines eines Kleinkindes oder einer Frau generiert wurde und umgekehrt.
Oder menschliche Porträts, denen die Augen herausgerechnet und durch Gesichtshaut ersetzt wurden. So dass sie zu anonymen Wesen mutierten.
Das war noch der intelligenteste Verweis auf zukünftige optische Uniformität und buchstäbliche Gesichtlosigkeit. Was damals als vermeintlich kreative Pionierleistung galt, ist heute Allgemeingut geworden. Visuelle Stilblüten der allerfeinsten Art treiben nun Ihr Unwesen. In diversen Internet-Communities kann man seine eigenen Kreationen oder besser Composings zur Schau stellen.

Oder man geht so vor wie der Chinesische Künstlerkollege Zhang Wei. Der setzte die üblichen Hollywood-Berühmtheiten aus Partikeln mehrerer hundert Foto-Porträts einfacher chinesischer Menschen zusammen. Vom Wanderarbeiter bis zum Nachbarn. Inspiriert hat ihn ordinäres Block-Buster Kino. Mit zunehmendem Unbehagen beobachtete er, wie westliche Schönheitsideale längst zum Vorbild für seine Zeitgenossen wurden. Heraus gekommen sind Schwarz-weiß-Porträts, die zwischen Komik und Furcht changieren. Künstliche Wesen, bar jeder menschlichen Ausstrahlung. „Artificial Theater-Big Star" nennt er sie treffend.
So blickt man in das vermeintliche Antlitz eines Brad Pitt mit asiatischem Einschlag. Oder in jenes einer Marylin Monroe made in China. Als Variante mit dunklen Haaren. Leonardo Di Caprio schaut wie ein buddhistischer Mönch in die Ferne. Audrey Hepburn ist offensichtlich einem Manga-Comic entsprungen. Arnold Schwarzenegger als junger fernöstlicher Terminator. Madonna könnte auch als lebendige Variante aus Madam Tussauds berühmten Wachsfiguren-Kabinett durchgehen.
Freilich will der Fotokünstler seine geklonten Porträts als eindringliche Warnung verstanden wissen. Denn immer mehr seiner chinesischen Zeitgenossen eifern künstlichen Hollywood-Schönheitsidealen nach und vergessen dabei ihre eigene Herkunft. So will Zhang mit seinen seelenlosen manipulierten Bildern warnen, dass jeder in unserer Gesellschaft nur eine Rolle spielt. Erst recht in Zeiten künstlicher Intelligenz und deren per Texteingabe-Prompts erzeugter Gestalten.

Diese Botschaft mag zwar nicht gerade neu sein. Zumal Zhang im Hinterhof eines Kinos wohnt und entsprechend sozialisiert wurde. Doch seine Fotoklone vermitteln unfreiwillig noch etwas ganz anderes. Nämlich die Einsicht, dass man über derartige Computerzombies auch herzhaft lachen kann. Vor allem dann, wenn sie inflationär Verbreitung finden.

Claus Bach

 

 

Claus Bachs Bildarchiv: Vom Nobody zum Promi

Autor: nbv