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Claus Bachs Bildarchiv: Zwischen Riesenbiene und Druckstock

29. Juni 2022 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Ausstellung: Rückzug | Retreat, Foto: Claus Bach
Ausstellung: Rückzug | Retreat, Foto: Claus Bach

Seit dem 11. Juni 2022 spielt die neue Ausstellung in der ACC-Galerie verschiedene Arten des Begriffs "Rückzug" durch. Englisch formuiert heißt das schick "Retreat". Doch hier macht es Sinn. Denn es agieren durchweg nicht deutschsprachige Künstler:innen, die sonst in Madrid, Kairo und Jerusalem leben und arbeiten. Sie alle hatten für jeweils vier Monate ihre persönlichen Rückzugs-Erfahrungen in Weimar verarbeitet. Dass es dabei mitunter recht schrill zugeht, beweist zumindest schonmal das Duo der beiden israelischen Künstler Noi Haimovitz und Tamir Erlich. Im großen, durchweg Zinnoberrot eingefärbten Raum der Galerie haben sie eine Riesenbiene aus Plüsch und vier lustige kleine Figuren aus lokalen Zwiebel- und Lauchgewächsen installiert. Im Raum ist der Text einer Stadtführung durch Jerusalem in deutscher Sprache zu hören.

Was als ironische Anspielung auf touristische Eigenheiten Weimars verstanden werden soll. Will heißen: Überall spielen sich dieselben Tourismus-Rituale ab. Zu diesem Zweck zelebrieren die beiden ähnliches in der Barbur Galerie in Jerusalem. Denn der zweite Tei ihrer Ausstellung ist dort parallel zum gleichen Thema zu sehen. In durchtrieben surrealer Art spielen die beiden mit bekannten Klischees und formulieren dessen mediale Überdrüssigkeit. Jene Klangstücke bringen zudem „historische zeitgenössische israelische politische Diskurse in die deutsche Galerie, die mit der lokalen Kultur und Politik verschmolzen sind und von der berüchtigten Geschichte überschattet werden". So erklärt es der kompatible Text im Faltblatt der Galerie.

Die arabische Künstlerin Malak Yacout agiert in völlig anderer Art und formuliert ihre individuellen Stresssituationen, die sich letztens durch Hautausschlag und Juckreiz äußern. Mikroskopische Bilder Ihrer eigenen Haut werden Teil ihrer Ausstellung und erzählen sehr viel über menschliche psychische Belastungen. Und last but not least: Die spanische Künstlerin Clara Carvajal schuf eine Art Altarbild aus 25 in Holz geschnittenen und auf Papier bedruckten Motiven, die symbolhaft von Extremformen des Massenkultur - Tourismus erzählen. Vom bizarren Bergsteiger*innen - Tourismus auf den Mount Everest bis hin zum beginnenden Weltraum-Sightseeing. Eine Art bildnerisches Gleichnis über das Endlosstreben des Menschen nach immer neuen Zielen. Ein mutwillig überdrehter Faust'scher Klassiker, der durch das verwendete Medium der Bildherstellung umso eindrücklicher wirkt.

Die Ausstellung ist jene der Stipendiaten*innen des 27. internationalen städtischen Atelierprogramms der ACC Galerie und ist noch bis zum 14. August 2022 zu sehen. Ach ja: Keine, aber auch keine andere Stadt Thüringens kann auf jene konstante Tradition zurückblicken.

Schon allein das ist mehr als nur besonders.

 

(Claus Bach)

 

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Autor: nbv