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Claus Bachs Bildarchiv: Örtliche Bildergesten
13. Mai 2020 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Am Denkmal für die US-Armee in der Schwanseestraße in Weimar liegen seit dem Vormittag des 8. Mai 2020 zwei Gedenkkränze, die an die Befreiung vom Faschismus vor 75 Jahren erinnern. Einer vom OB der Stadt Weimar, ein zweiter von Bündnis 90/Die Grünen. Die Kränze wurden derart platziert, dass ein großer Teil der Textzeile auf dem minimalistisch gebrochenem Monolith lesbar bleibt: "...Soldaten, die Thüringen im April 1945 von nationalsozialistischer Diktatur befreiten."
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde an einer mit Efeu bewachsenen Hausfassade ein handgeschriebenes Transparent angebracht. Darauf ist in rot-schwarzen Buchstaben ein Zitat und sein Autor aufgeschrieben: "Kinder können sehr viel selbst. Aber sie können viel nicht alleine." Jener vielsagende Satz stammt vom dänischen Familientherapeuten Jesper Juul und soll freilich auf die gegenwärtig isolierende Situation aller Familien mit ihren Kindern abzielen. Darunter werden stellvertretend alle Beteiligten in einer Art Widmung aufgezählt: Oma, Opa, Freunde, Erzieher, Lehrer, Onkel und Tante, Tagesmutter, Trainer, Cousin.
In der gläsernen Koje vor einem Lebensmittelmarkt sind zahlreiche Einkaufswagen in einer nach links gebogenen langen Reihe derart ineinander geschoben, dass auf dem Boden zwei weiße Richtungspfeile zu sehen sind. Irritierend weisen sie geradeaus, direkt ins spitze Ende jener Koje.
Einer Sackgasse gleich. An der abgerundeten Ecke eines Jugendstil-Wohnhauses im Stadtring ist ein weiteres flächendeckendes Transpa mit folgendem Text auszumachen: "Global solidarity in every crises" steht in weißen Lettern auf rotem Stoffgrund. "Globale Solidarität in jeder Krise".
Eine kämpferisch-universelle Parole in schweren Zeiten.
Am Markt ist das Rathaus schon seit Monaten mit weißen Planen verhüllt, kommender Sanierungsmaßnahmen geschuldet. In der Mitte des Platzes steht der Mai-Birkenbaum. Traditionell mit bunten, wehenden Bändern behängt. Stellt man sich fast unter ihn und blickt ausschließlich gen Himmel und verhüllter Rathausfassade, ergibt das ein ganz besonderes Bild. Eines, das in sehr spezieller Art und Weise unsere pandemische Gegenwart festhält. Selbst das Rathaus der Kulturstadt befindet sich in unfreiwilliger Quarantäne. Freilich rein bildsymbolisch gesehen. Was zur Aufgabe der Woche führt. Finde den Standpunkt.
(Claus Bach)
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