Radio Beiträge

Claus Bachs Bildarchiv: Alles Blödsinn, oder?

17. September 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Das war schon ordentlich cool, als ein alter Mann von 88 Jahren die Jubelfeier des ZDF im Oktober 2008 zackig abkanzelte und den Veranstaltern in die Suppe spuckte. Der prominente Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sollte den „Deutschen Fernsehpreis" für sein Lebenswerk und für seine Sendung „Das Literarische Quartett" erhalten. Doch zum gegebenen Moment stellte er in seiner Art klar: „Ich gehöre nicht in diese Reihe. Ich finde es schlimm, dass ich das heute Abend hier erleben musste." Des Weiteren ließ er sich aus über den „Blödsinn, den wir hier heute Abend zu sehen bekommen haben". Und weiter: „Ich habe nicht gewusst, was mich hier erwartet." Das hatte gründlich gesessen und hinterließ verwirrte Gesichter bei Moderator und Publikum. So kompakt konnte das keiner. Doch der Kritiker-Papst und gefühlt letzte Vertreter der deutschen Hochkultur hat ja auch Zeit genug zum Üben gehabt und schon immer für einen zünftigen Unterhaltungswert am Bildschirm gesorgt. Auch nach 17 Jahren ploppt jener Eklat noch immer in den sozialen Netzwerken auf. Denn bis heute ist sowas nicht wieder passiert. Damals hatte sein TV-Ausraster auch die Werber inspiriert und Ihnen einige prima Headlines für neue Verkaufskampagnen zur Ankurbelung der ins Gerede gekommenen Marktwirtschaft beschert. Genau im richtigen Moment, fast wie bestellt. So warb die T-Home-Sparte der Deutschen Telekom mit dem Szenenfoto des Literaturkritikers während des TV-Eklats und titelt vielsagend: „Bei uns findet jeder ein Fernsehprogramm, das ihm gefällt". Laut Presseberichten geschah das in Absprache mit dem Meister. Aber auch ein anderes Unternehmen ließ sich nicht lumpen und bediente sich ebenfalls: Eine Billigfluglinie wandelte Reich - Ranickis verbale Medienschelte ins Gegenteil um und zitierte triumphierend unter wiederholter Verwendung des bewussten Szenenfotos folgendermaßen: „Diesen Preis nehme ich an: Denn nur Ryan Air hat den Günstigsten". Das hatte doch mal was. Als Werbetexter bräuchte man im Grunde wöchentlich solche Promi-Ausraster. Und schon sprudeln die Ideen ohne Ende, kein endloses verbales Quälen durchtriebener Sätze, die niemand so recht verstehen will. So nützlich kann manchmal eine enthemmte öffentliche Schimpfkaskade über den TV-Jubelbetrieb sein. Vielleicht sollte es mehr davon geben. Aber bitte ohne dröge Nachfolgediskussionen. Denn wie hieß doch gleich der Titel eines deutschen Kinofilms von Hans Weingartner aus dem Jahr 2007: „Free Rainer -Dein Fernseher lügt!" Doch das wäre dann wohl eine eine andere Geschichte.

Claus Bach

 

Claus Bachs Bildarchiv: Alles Blödsinn, oder?

Autor: nbv