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Claus Bachs Bildarchiv: Blick zurück
10. August 2022 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Knapp 30 Jahre sind seit den Übergriffen auf das Ausländerwohnheim „Sonnenblumenhaus" im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen vergangen. Damals war es zugleich die sogenannte „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber". Knapp vier Tage entlud sich der Fremdenhass in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß. Die Nacht des 24. August 1992 war der schockierende Höhepunkt. Es kam zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen im noch jungen Gesamtdeutschland. Die noch im Haus wohnenden eingekesselten Vietnamesen kamen alle mit dem Leben davon. Vielleicht die einzig gute Nachricht an jenem Abend.
Ein Team des ZDF war auch live dabei und lieferte äußerst beklemmende Katastrophenberichterstattung. Wir erinnern uns vielleicht noch. Auch und vor allem an die applaudierenden vermeintlich unbescholtenen Nachbarn des Sonnenblumenhauses, als erneut ein Molotov-Cocktail in das Fenster einer Wohnung des Plattenbaus einschlug. Nun hat sich erneut ein Fernsehteam des Norddeutschen Rundfunks der Sache angenommen. Unter dem Titel „Rostock-Lichtenhagen. Als sich der Fremdenhass entlud." wurden damals agierende Personen befragt und gaben Auskunft. Herausgekommen ist eine aussagekräftige Dokumentation, die vom Versagen aller verantwortlichen Politiker und Beamten erzählt. Doch auch die Asylpolitik der damaligen CDU-geführten Bundesregierung kommt schlecht weg: Wieder besseren Wissen ließ man die vorhersehbare Situation im Rostocker Stadtteil eskalieren.
Denn das war willkommener Grund, das Asylrecht im Grundgesetzt zu verschärfen. Was dann auch widerstandslos im Bundestag durchgewunken wurde. Maßgebliche Drahtzieher der Angelegenheit waren die damals zuständigen Innenminister Wolfgang Schäuble und Rudolf Seiters.
Freilich freilich verwahrten sich alle gegen den Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein. Was sich spätestens einige Tage nach der ausländerfeindlichen Eskalation in als ordinäre Lüge entpuppte: Tage später fand vor Ort eine angemeldete Demonstration der Linkspartei gegen Fremdenhass statt. Die wurde gleichmal von 3000 Polizisten einschließlich Bundesgrenzschutz flankiert und gesichert. Das ganze Programm. In der Nacht der Übergriffe waren gerade mal 300 Polizeibeamte zugegen. Die wurden dann noch vorzeitig zum Schichtwechsel abgezogen. Kaum zu glauben, aber wahr.
Besagte Dokumentation ist in der Mediathek des Norddeutschen Rundfunks im Internet zu sehen.
(Claus Bach)
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