Radio Beiträge

Claus Bachs Bildarchiv: Die Zeugen

13. Mai 2019 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
»Die Zeugen« Fotoausstellung im öffentlichen Raum, Foto: Radio LOTTE
»Die Zeugen« Fotoausstellung im öffentlichen Raum, Foto: Radio LOTTE

Seit dem 01. April 2019 sind bekanntermaßen 16 außerordentlich einfühlsame Schwarzweiß-Porträts von Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald an den Straßen Weimars zwischen Hauptbahnhof und dem Bauhaus-Museum zu sehen. Aufgenommen vom Fotografen Thomas Müller, den die Idee jener Fotografien seit Dezember 2016 umgetrieben hatte.

Erste Bilder entstanden, im Frühjahr 2017 wurden einige in der lokalen Tagespresse veröffentlicht. Was Thomas zu jenem Zeitpunkt nicht wusste: Der Mannheimer Fotograf Luigi Toscano arbeitete seit 2015 an einem identischen Projekt. Er fotografierte Überlebende des Holocausts und stellte sie überlebensgroß in öffentlichen Räumen entsprechender Städte aus. Ähnlich eindringlich, vor schwarzem Hintergrund, allerdings farbig. Kurzum: Eine andere visuelle Handschrift. Seit jener Zeit hat Toscano etwa 400 Personen aufgenommen und Ihnen ein visuelles Denkmal gesetzt. "Gegen das Vergessen" nennt er sein Projekt, welches vom Goethe-Institut gefördert und bis heute weltweit an verschiedensten Orten präsentiert wurde. Im Sommer 2017 hatte sich jener Fotograf auch an den Intendanten der Achava-Festspiele, Martin Kranz, gewandt und ihm sein Projekt für den Stadtraum Erfurt vorgestellt. Inklusive sehr konkreter Visualisierung: Überlebensgroße Proträts von Opfern des Holocaust, präsentiert im öffentlichen Raum. So erzählt es ein Dialog zwischen beiden in den sozialen Netzwerken. Auf der Facebook-Seite des Fotografen kann man ihn noch nachlesen. Auf jener von Martin Kranz nicht. Damals kam die Sache aus vermeintlichen Kostengründen nicht zustande. Dafür einige Monate später. Nun allerdings mit denBildern von Thomas Müller. Der wusste jedoch nichts von jener Vorgeschichte.

So werden nun seine Schwarzweiß-Porträts in identischer Art der Präsentation Luici Toscanos in Weimar gezeigt.
Auf Initiative des Intendanten der Achava-Festspiele. Seit der Eröffnung ist die mediale Resonanz ungemein groß. Einige der aufgenommenen Zeitzeugen wurden vor ihren Porträts interviewt und fotografiert. Selbst die Tagesschau und andere große Medien berichteten.
Freilich nahm das auch Luigi Toscano wahr und ist nun zurecht verärgert. Plagiats-Vorwürfe an die Weimarer Produzenten machen im sozialen Netzwerk die Runde. Und treffen nun erstmal den Fotografen. Allerdings zu Unrecht. Stattdessen sollte sich der eigentliche Initiator Martin Kranz in demütigender Bescheidenheit üben und die Urheberschaft nachträglich schleunigst klären. Was hätte es ihn gekostet, öffentlich auf die Existenzeines ähnlichen Projekts zu verweisen? Gar nichts. Manche Ideen liegen zufällig eng beieinander. Das kann man schnell vermitteln. Wenn man es denn will. Vor allem, weil genau jenes Thema viel zu sensibel ist, um sich ausgerechnet mit der Urheberschaft eines Projekts medienwirksam in Szene zu setzen. Das ist eben nicht nur verstörend eitel, sondern ausgesprochen zynisch. Weil es vor allem diejenigen unfreiwillig zu Statisten der Selbstdarstellung eines Festspielintendanten macht, um die es geht. Die Überlebenden des Holocausts.

(Claus Bach)

 
Weitere Beiträge von Claus Bachs Bildarchiv können Sie hier nachhören.

Claus Bachs Bildarchiv: Die Zeugen

Autor: nbv