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Claus Bachs Bildarchiv: Im Zeltkino

18. Juni 2025 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
„Aufgegebenes Zeltkino in Born am Darß, 2015“, Foto: Claus Bach
„Aufgegebenes Zeltkino in Born am Darß, 2015“, Foto: Claus Bach

Wer von den aktiven DDR-Ostseeurlaubern erinnert sich nicht an diese Filmpaläste. Meist lagen sie unweit der damals so begehrten Campingplätze entlang der Küste. Von Boltenhagen bis Ahlbeck. Anfänglich wie überdimensionale Hauszelte errichtet, wurden sie später dauerhaft mit einem runden Mantel aus Wellstahlblech überzogen. So standen dann begehbare, längs halbierte quergelegte Konservenbüchsen in der Landschaft. Gelandeten UFOs gleich.

Zu sehen waren immer die jeweiligen Filme der Saison des „Progress" Filmverleihs der DDR. Angefangen von frisch produzierten DEFA - Indianerfilmen. Bis hin zu eingekauften Streifen westlicher Produktionen. Ein recht breites cineastisches Spektrum, für welches in der Hochsaison extra Karten-Vorverkaufszeiten eingerichtet wurden.

Bis heute gibt es diese Kinos noch fast alle. Prähistorisch und naturbelassen stehen sie in der Landschaft. Als voll funktionstüchtige Relikte ostdeutscher Urlaubsvergangenheit. Dauerhaft „bestandsgesichert" führen sie ein recht beschauliches aber konstantes Eigenleben. Je nach Aktivität der Betreiber vor Ort. Und umso mehr tauchen sie heute wie Fremdkörper inmitten domestizierter Urlaubslandschaften auf. Visuellen Stolpersteinen gleich.

Betritt man eines, gleicht das dem Einstieg in eine Zeitkapsel. Sofort fährt der typische Geruch aus furnierter Kunststoff-Hartfaserplatte, muffigem Polster und verbrauchter Luft in die Nase. Und auch die restliche Zeltkino-Phänomenologie stellt sich ein. Spätestens dann, wenn ein Besucher das Kino zur auswärts gelegenen Toilette verlassen muss. Dann wird die Kinoleinwand infolge eindringenden Tageslichts temporär weiß überblendet.

Was eine kurze Unterbrechung des laufenden Films nach sich zieht. Ohnehin besteht das Filmangebot meist nur aus Derivaten gängiger saisonaler Blockbuster, mit welchen flächendeckend sämtliche Multiplex - Paläste des Landes penetriert werden. Dass es auch anders gehen kann, beweist das

Zeltkino auf Hiddensee. Dank Engagement von Bürger:innen und Kommune hat es sich mittlerweile zum modernsten und erfolgreichsten an der Ostseeküste entwickelt. Sein Programm setzt sich aus Sommerkomödien, - Arthouse und sogenannten „Event-Filmen" zusammen. Selbst Veranstaltungen wie beispielsweise „Das große Inselsingen" oder „humorvolle Lesungen" stehen auf dem Programm. Dafür erhielten die Veranstalter im Jahr 2019 schon mal den Kinokulturpreis des Landes Mecklenburg - Vorpommern. Auch sieht das Gebäude seit reichlich zehn Jahren nicht mehr silbrig - blechern, sondern blaugrün aus. Dank Modernisierung trägt es eine Außenhülle zur Vollklimatisierung. Willkommen in der Zukunft der Vergangenheit

Claus Bach

 

 

Claus Bachs Bildarchiv: Im Zeltkino

Autor: nbv