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Claus Bachs Bildarchiv: Laut. Bunt. Frei!
16. März 2023 / Radio, Stadtzeit,Mediathek„Die Häuser sollen denen gehören, die drin wohnen!" Dieser Spruch war vor etwa 33 Jahren an diversen besetzten Gebäuden zu lesen. Speziell im rechtsfreien Zwischenraum der Wendezeit wurde diese Parole besonders in Ostdeutschland gelebt: Zuerst erkundete man ein leerstehendes Haus. Danach verschaffte man sich Zugang und zog ein. Noch ein neues Schloss eingebaut, einen Briefkasten mit Namen angebracht – und fertig. Und je mehr neue Mitbewohner nachzogen, desto besser. Wenn sich der Eigentümer meldete, verhandelte man und einigte sich irgendwie. Zumindest temporär.
Diese Tatsachen schufen damals auch junge Zeitgenossen in Weimar. Im März 1990 besetzten sie das Haus in der Gerberstrasse 3. Ein Brand im Erdgeschoss hatte es unbewohnbar gemacht, die restlichen Etagen waren noch einigermaßen in Schuss. Rasch war das Objekt provisorisch ausgebessert, bezogen und belebt. Und selbstverständlich gehörten Konzertraum und Kneipe dazu. Gerade letztere wurde das Sammelbecken für Nachtschwärmer unterschiedlichster sozialer Couleur. Also ein buntes Haus im ansonsten noch grauen Bild der Kulturstadt. Kult. Die Hausbesitzerin im Westen spielte mit und überließ ihr Objekt den „Jungen Leuten". Allerdings musste ein Nutzungskonzept mit Verein her. Allein schon, um den Dauerstress mit Nachbarn und Stadtvätern etwas einzudämmen.
Zudem ließen sich nun auch projektbezogene Fördertöpfe anzapfen. „Haus für Soziokultur e.V." war der kleinste gemeinsame Nenner. Eine schwere Geburt im Dauerstreit der Besetzer. Er fasste alle Aktivitäten zusammen, die sich mit dem Engagement für alternative Jugendkultur verbanden. Rückblickend war das der entscheidende Schritt zur Akzeptanz des Hauses. Machte er doch nun Aktivitäten wie Kinderladen, Fahrradwerkstatt, das Kino „Filmriss", Konzerte inklusive dem Tonstudio „Wunderbar" möglich. Doch auch parteipolitisch - gebundene Maßnahmen wie die der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden möglich: Als „Bundesministerin für Frauen und Jugend" übergab sie im Frühjahr 1992 einen Scheck über 20.000 DM an den Verein. Das sollte die immerwährenden Grabenkämpfe zwischen rechts und links befrieden. Jene Spende wurde ausgerechnet für die Fußbodenheizung der Kneipe verwendet. So gingen die Jahre ins Land. Die Benutzer - Generationen wechselten, Aktionisten kamen und gingen. Einer von ihnen kandidierte auch schon mal im Jahr 2000 zur Oberbürgermeisterwahl. Irgendwann wurden die ABM-Stellen gekürzt. Irgendwann fehlte das Kino. Irgendwann sind aus Besetzern temporäre Bewohner geworden. Doch die vergessen das Jubiläum Ihres Hauses nicht und feiern die Angelegenheit den ganzen Monat März.
Neben diversen Veranstaltungen geht die Hausbar „Wunderbar" mit der Zeit und bietet erstmals speziellen „Geburtstagsmerch" an. Schwarze Hoodies, Shirts und Beutel sind mit kleiner weißer Silhouette des Hauses oder einem Comic-Wimmelbild bedruckt. „Gerber forever" ist auf letzterem zu lesen. Verkaufsstart ist kommender Freitag, der 17. März 2023. Der „richtige" 33. Geburtstag des Hauses. Das ist schon seit Langem zum etablierten Bestandteil der örtlichen Alltagskultur geworden.
Es hätte auch anders kommen können.
(Claus Bach)
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