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Claus Bachs Bildarchiv: Offen für neue Horizonte

24. Januar 2024 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Am vergangenen Montagabend hatten sich auf dem Wielandplatz in Weimar 3000 Personen zur Demonstration gegen Ausländerfeindlichkeit und ultrarechte Strömungen eingefunden. Einer der Redner besagter Demo war Jens Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau - Dora. Explizit sprach er auch über die extrem rechtsdrehenden Theorien des ausgewilderten Geschichtslehrers aus dem Hessischen, der seit Jahren in Thüringen agiert. Damit steht Letzterer bei Weitem nicht allein. Denn schon seit Jahren wird selbst der Spruch am Einganstor des ehemaligen KZs auf dem Ettersberg in unregelmäßigen Abständen gern zu werbetechnischen Zwecken verwendet. So hatten im Jahr 2019 die Werbetexter des Modeunternehmens „Peek & Cloppenburg" den von den Nazis missbrauchten Spruch „Jedem das Seine" für eine Werbebroschüre in Dresden genutzt. Die warb für eine Kollektion weißer Hemden mit bunten Krawatten. Nach dem öffentlichen Protest eines Politikers der Partei der Linken entschuldigte sich das Unternehmen und entfernte den Spruch. Man wollte freilich nicht die Gefühle anderer verletzen. Doch das war keinesfalls das erste Mal. Immer deutlicher wird die offensichtlich enthemmte geschichtsfreie Nutzung von Zitaten und Aussprüchen durch die Texter der Werbebranche. Selbstverständlich geht es stets um schlagkräftige Reklame im zeitgenössischen Hochleistungswettbewerb. Und wenn es sich dann noch mit einem medialen Skandal verbindet, werden auch die Kritisierenden effektiver Teil der Kampagne. Bleibt offen, ob dieses unterstellende Kalkül wahr oder erfunden ist. Wahr ist jedenfalls, dass jener ursprüngliche Ausspruch der griechischen Philosophie „Jedem das Seine" in den letzten 22 Jahren schon des Öfteren gern genommen wurde.

Nachfolgend eine kleine, wahrscheinlich unvollständige Nutzungschronik:

1997 warb damit erstmals die Firma „microsoft" für Bürosoftware.

1998 nutze der Konzern „NOKIA" den Ausspruch.

1999 warb damit das Nahrungsmittelunternehmen Rewe für Grillzubehör,

ebenfalls 1999 stand „Jedem das Seine" auf den Faltblättern der Erfurter Filiale „Burger King". 2001 war der Spruch auf einer Werbeaktion der Münchner „Merkur-Bank" zu lesen. Im gleichen Jahr ließ sich dann auch die deutsche Telekom nicht lumpen und titelte „Jedem das Seine" in ihrer Werbebroschüre. 2009 hatten die Firmen Tschibo und Esso den Spruch für eine ihrer Kampagen genutzt.

Befragt nach den Ursachen, winden sich die Akteure meist wie die Aale:

Man hätte „...das nicht gewusst" oder „..könne nicht verstehen, dass die Vergangenheit so hochgespielt wird..." und so weiter.

Dann folgen die Bereuungs -Rituale inclusive selbstverständlichem Stopps betreffender Aktion. Doch offensichtlich wird in der Werbeszene der kritische Verweis auf den Missbrauch diverser Nazi - Sprüche eher als eine Art lästige Zensur durch verbildete Intellektuelle, Journalisten und Politiker gesehen. Anders ist die immer währende Benutzung des KZ-Spruchs nicht mehr zu erklären. Schlichte Recherche - Faulheit und Intellektuelle Einfalt wird offensichtlich mit Kreativität verwechselt.

Und es wird vermutlich nur eine Frage der Zeit sein, bis „Jedem das Seine" als Titel der Kampagne für eine Lebensversicherung in unseren Briefkasten landet. Immer offen für neue Horizonte oder so ähnlich.

 

(Claus Bach)

Claus Bachs Bildarchiv: Offen für neue Horizonte

Autor: nbv