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Claus Bachs Bildarchiv: Oscars Grab

27. November 2024 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Das Grabmal Oscar Wildes im November 2006, Foto: Claus Bach
Das Grabmal Oscar Wildes im November 2006, Foto: Claus Bach

Auf wohl kaum einem anderen Friedhof der Welt ist die Dichte der Promis aller Couleur größer als auf dem namens Père Lachaise in Paris. Was angesichts der Stadt und ihrer Geschichte kein großes Wunder sein dürfte. Im frühen 19. Jahrhundert wurde er als Parkfriedhof neu angelegt und ist mit seinen rund 69.000 Grabstätten auch der größte.

Und selbstverständlich Touristenattraktion und Pilgerstätte. Anlaufpunkt und Kultstätte für Verehrer*innen der jeweiligen Persönlichkeiten der älteren und jüngeren Zeitgeschichte. Allein der kleine Grabquader des amerikanischen Sängers und Poeten Jim Morrison erfährt in der Hochsaison regelrechte Besucherattacken. So dass er zeitweise von Beamten der örtlichen Polizei bewacht wird. Unweit seines Grabes befindet sich auch noch ein anderes, welches nicht minder frequentiert wird. Das des irischen Dramatikers und Schriftstellers Oscar Wilde. Zu Lebzeiten war er durch seine teils homoerotischen Schriften und Stücke berühmt geworden und galt als äußerst skandalumwittert. Völlig mittellos verstarb er am 30. November 1900 und wurde zunächst in einem Armengrab beigesetzt. Neun Jahre später wurde Oscar Wilde auf den Friedhof Père Lachaise umgebettet. Im Jahr 1914 wurde die kultisch-mystische Felsskulptur einer schwebenden Sphinx auf seinem Grab errichtet. Geschaffen vom amerikanisch-britischen Bildhauer Jakob Epstein. An einem großen Quader mit dem Namen des Dichters ruht die riesige Figur mit seitlich angelegten Armen, aus der früher noch ein übergroßer Phallus ragte. Letzterer wurde des öfteren abgeschlagen, ersetzt und wieder abgeschlagen. Bis man es aufgab und das Teil nicht mehr erneuerte. Und noch vor Jahren war sein großer Sockel mit unzählig farbigen Abdrücken von Kussmündern bedeckt.

Als eine Art körperliche Verehrung in zinnoberrot, blau, pink, violett und grün. Aus der Ferne sah das zunächst wie Tapete aus. Und eine markante Wolke aus Patchouli-Parfüm umwaberte das Grab. Je nach Jahreszeit entsprechend intensiv. Manchmal umschleichen fotografierende Frauen die Skulptur. Einmal baumelte ein auffällig weinroter Herrenschlips am Fuß der geflügelten Sphinx-Figur. Von fremder Hand angelegt. Doch über die Jahre zersetzten die Chemikalien und Fette der vielen Lippenstift-Abdrücke den Steinsockel des Grabmals. So dass er nach seiner Reinigung von vier hohen transparenten Acrylwänden geschützt wird. Was zur Folge hatte, dass sich die Grab-Küssenden spontan einen anderen permanenten Ort der Verehrung suchten. Seither wird die Rinde eines großen Baumes gegenüber dem Grab geküsst. Wahre Zuneigung findet immer einen Weg und ist nicht tot zu kriegen.

Claus Bach

 

 

Claus Bachs Bildarchiv: Oscars Grab

Autor: nbv