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Claus Bachs Bildarchiv: Verklebt, verleistet und verzwickt

01. November 2023 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Schon seit gefühlten Jahrzehnten ist das Besuchen und Fotografieren vergessener Orte zur beliebten Freizeitbeschäftigung geworden. Jene Lost Places sind in der Regel verwilderte Ruinen der Militär-, Industrie- und Zivilgeschichte und werden wohl nie ihre Anziehungskraft verlieren. Denn der Reiz des Entdeckens verbindet sich mit der Erschließung lokaler Historie. So lässt sich auch jedes kleinste Relikt vor Ort mit Bedeutung aufladen. Vom rostigen Nagel bis hin zu Efeu berankten Verließen und so weiter. Gern wird neben dem Kamera-Equipment auch ein Metalldetektor mitgeführt. Als Hilfsmittel moderner Schatzsuche. Überflüssig zu sagen, das jene Lost Places zum einschlägigen Szene-Hype der letzten Jahre wurden. Dementsprechend ist nach der Bildersuche im Internet eine Armada exotischer Trümmerbilder zu finden, die in einschlägigen Internet-Foren bis zum Überdruss gipfeln. Jenem Phänomen hat sich nun auch die örtliche ACC-Galerie angenommen und die Angelegenheit schonungslos konsequent durchgespielt. Nach einem Open Call im Netz kamen erwartungsgemäß massenhaft Fotografien romantisierender Trümmerbilder zusammen. Nicht nur Europaweit. So werden an den Wänden des Galerie-Labyrinths alle möglichen und unmöglichen verlassenen Orte durchgenommen. Eingefasst in ein verschiedenfarbiges Wallpaper-Leistenraster kann man sich durch alle Gänge lesen und sich an den jeweils angezeigten Kapiteln orientieren. Von verlassenen Orten Weimars über jene Thüringens bis hin zu jenen der großen weiten Welt. Und selbst virtuelle Lost Places fehlen nicht. Manche nennen es stillgelegte Webseiten, andere schlicht Internet-Mumien. Die sehen vor Ort lustiger aus, als man vermuten würde.

Doch auch das Universum samt Mikrokosmos fehlen nicht. Im blauen schmalen Gang der Galerie unternimmt man eine Reise in bebilderte verlassene Orte des Weltraums. Eine eher populärwissenschaftliche Bilderstrecke, die geborstene Flugkörper und verlassene Raketenterminals zeigt.
Im anschließenden roten Gang setzt sich die Fotostrecke ins Körperinnere fort. Bis hin zu jenen des Mikrokosmos. Nichts, aber auch nichts wurde ausgelassen.
Doch die ACC-Galerie wäre nicht die ACC-Galerie, wenn es bei jener Trümmerbild gewordenen Wandtapete bleiben würde. Denn fünf zeitgenössische Künstler*innen hatten im August an ausgewählten verlassenen Orten Thüringens agiert. Deren Ergebnisse sind in fünf Räumen zu sehen.
Tommy Neuwirths großes ausrangiertes Leuchtschriftzug-Objekt der Discounterkette „real" leuchtet im abgedunkelten Raum. Diverse Videos zeigen, wie er es auf einem kleinen Wagen durch die Thüringer Landschaft karrt. „Realer wird's nicht" heißt sein ironisches Projekt und spielt durchtrieben mit der Bedeutung jenes Worts.
Im kleinen grünen Nebenraum kann man Martin Knuths interaktive Theaterreise durch das Jonastal bei Arnstadt nachvollziehen.
Ein anderes Video zeigt die agierende Geschichtenerzählerin Antje Horn im verlassenen Lutherpark nahe Erfurt.
Die Künstlerin Kristin Wenzel präsentiert etwa 50 handgroße Abdrücke von Skulptur-Fragmenten des Schlossparks Friedrichswerth als Ergebnisse ihrer Workshops vor Ort.
Das mannsgroße Buchstabenrad des Künstlerduos VVV liegt in einem dramatisch beleuchteten Raum und zeigt per Video dessen Benutzung am verlassenen Bahnstreckenabschnitt bei Remptendorf.

So ist diese Show eine durchweg erhellende, ironische und zugleich auch unterhaltende geworden. Ebenso erhellend ist auch ihr Name: Der nennt sich schlicht ENDLAND.

Das passt durchaus. Die Ausstellung ist eine Koproduktion mit dem Kunstfest Weimar und noch bis zum 05. November zu sehen.

 

 

(Claus Bach)

Claus Bachs Bildarchiv: Verklebt, verleistet und verzwickt

Autor: nbv