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Claus Bachs Bildarchiv: Vom Hinterzimmer zum Stammtisch
25. Oktober 2017 / Radio, Stadtzeit
Wer in diesen Tagen an den ehemaligen Räumlichkeiten der örtlichen Bar "Hinterzimmer" in Weimar vorbei geht, wird gänzlich leere Ladenräume vorfinden. Die gehören bekanntlich samt Haus einem Mitglied der AFD, welches seit August äußerst wirksam agierte. Von einschlägiger Parteienreklame
bis hin zu diversen Stammtischen wurde die ganze Klaviatur durchgezogen. Gekrönt von einem Riesenposter des ersten Kanzlers des Deutschen Reichs, Fürst Otto von Bismarck. Inklusive historischem Statement an der Hausfront.
Selbstverständlich zog das den massenhaften Protest nicht nur des linken Kiezes, sondern auch vieler anderer Weimarer auf sich. Demonstrationen gegen die neue rechte Szene waren an der
Tagesordnung. Und auch die Nachbarhäuser zeigten Flagge. Mit Transparenten gegen Ausländerfeindlichkeit, den neuen Nationalismus und die einfältige Heimattümelei jener Partei.
In sturer Regelmäßigkeit markierten Unbekannte den Eingang der neuen Parteienbude. Als verdinglichte wütende Statements wurden braune Farbe, Bio- oder Sperrmüll vor dem Eingang der ehemaligen Szenebar abgelegt. Oder gleich mal der abgetrennte Kopf eines Wildschweins.
An einer Kette befestigt und nur mühevoll zu entfernen.
Rückblickend die spektakulärste Aktion mit der größten medialen Verbreitung. Was zur Folge hatte, dass allein die Berichterstattung über jene Ereignisse unfreiwillig zur expliziten Parteienreklame geriet. Im Selbstlauf wurde die Partei zum Polit-Underdog und Märtyrer. Ein Klassiker. Denn Negativreklame war schon immer die beste.
Rückblickend bleibt festzustellen, dass die AFD auch in Weimar maximale Aufmerksamkeit erreicht hatte. Das Kalkül simpler Provokationim Vorfeld der Wahlen zum deutschen Bundestag war vollends aufgegangen. Gegendemos und Proteste wurden effektivster Teil ihres Wahlkampfs. Ein teuflischer Automatismus. Das war clever und nachhaltiger als die üblichen austauschbaren Wahlplakate im öffentlichen Raum. Die hatten bestenfalls statistischen Charakter.
Doch nun ist kein einziges Parteienposter mehr in den Fenstern des Ladenlokals an der Trierer Straße 33 auszumachen. Selbst das Bismarck Konterfei fehlt. Ebenso kommende Veranstaltungshinweise. Aber wozu auch. Die Örtlichkeit hat ihren Zweck erfüllt.
Zurück bleibt eine leere Höhle, die unheimlich wirkt. Und mutwillig inhaltsfrei an die Taktik der verbrannten Erde erinnert.
Claus Bach
Bildarchiv mit Claus Bach
