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Claus Bachs Bildarchiv: vom Nobody zum Promi

18. Juli 2019 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Erinnern wir uns: Mitte der 1990 iger Jahre war es noch wenigen gut betuchten Computerfreaks und Künstlern vorbehalten: Das digitale Verändern der Fotos menschlicher Körper und Gesichtszüge mittels Bildbearbeitungssoftware. In der Fachsprache "Morphing", zu deutsch "Gestaltwechsel", genannt. Dieser "Vorsprung durch Technik" wurde freilich zur erfolgsorientierten beruflichen Profilierung genutzt. Und so tauchten plötzlich digitalisierte menschliche Flachware-Zombies vor unseren Augen auf. Visuelle Mixturen, bestehend aus dem Kopf eines Mannes, der mit Körper oder Gliedmaßen eines eines Kleinkindes oder einer Frau generiert wurde und umgekehrt. Oder menschliche Porträts, denen die Augen herausgerechnet wurden, so daß sie zu anonymen Wesen mutierten. Das war der intelligenteste Verweis auf zukünftige optische Uniformität und buchstäbliche Gesichtlosigkeit.

Was damals noch als vermeintlich kreative Pionierleistung galt, ist heute Allgemeingut geworden. Visuelle Stilblüten der allerfeinsten Art treiben nun Ihr Unwesen. In diversen Internet-Communities kann man seine eigenen Kreationen oder besser Composings zur Schau stellen. Oder man geht so vor wie der Chinesische Künstlerkollege Zhang Wei: Der setzte die üblichen Hollywood-Berühmtheiten aus Partikeln mehrerer hundert Foto-Porträts einfacher chinesischer Menschen zusammen. Vom Wanderarbeiter bis hin zum Nachbarn. Inspiriert hat ihn Block-Buster Kino. Mit zunehmendem Unbehagen beobachtete er, wie westliche Schönheitsideale längst zum Vorbild für seine Zeitgenossen wurden.

Heraus gekommen sind Schwarzweiss-Porträts, die zwischen Komik und Furcht changieren. Künstliche Wesen, bar jeder menschlichen Ausstrahlung. So blickt man in das vermeintliche Antlitz eines Brad Pitt mit asiatischem Einschlag. Oder in das einer Marylin Monroe made in China. Als Variante mit dunklen Haaren. Leonardo Di Caprio schaut wie ein buddhistischer Mönch in die Ferne. Audrey Hepburn ist offensichtlich einem Manga-Comic entsprungen. Arnold Schwarzenegger als junger fernöstlicher Terminator. Madonna könnte auch als lebendige Variante aus Madam Tussauds berühmten Wachsfiguren-Kabinett durchgehen.

Freilich will der Fotokünstler seine seelenlosen Porträts als eindringliche Warnung verstanden wissen. Wir spielen alle nur eine Rolle in der Gesellschaft und so weiter. Diese Botschaft mag zwar nicht gerade neu sein. Zumal Zhang im Hinterhof eines Kinos wohnt und entsprechend sozialisiert wurde. Doch seine Fotoklone vermitteln unfreiwillig noch etwas ganz anderes. Nämlich Einsicht, dass man über derartige Computerzombies herzhaft lachen kann. Das ist doch mal was.

(Claus Bach)

 
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Autor: nbv