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Claus Bachs Bildarchiv: Vor 17 Jahren - www.touristguy.com

12. September 2018 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Wer auch immer in den Wochen nach dem 11. September 2001 diese Website aufrief, fand Bilder, die stets dasselbe anonyme Antlitz eines Globetrotters vor diversen Katastrophen der Weltgeschichte zeigten. Ausstaffiert mit Wetterjacke, geschultertem Rucksack, Sonnenbrille und passender Kopfbedeckung blickt er – posierend wie auf einem touristischen Erinnerungsfoto – in die Kamera. Will sagen: Ich war dabei! Und so sahen wir ihn einmontiert in die datierten Bilder des Untergangsszenarios der "Titanic", des Zeppelinabsturzes in Lakehurst oder eines Brückeneinsturzes. Bis hin zum Attentat auf das New Yorker World Trade Center, welches noch eine visuelle dramaturgische Steigerung erfuhr: So sah man den geübten Globetrotter auf dem Aussichtsplateau eines der Twin Towers, während im Hintergrund das heranfliegende Todesflugzug auszumachen war. Ergänzt mit dem Kommentar, dass dieses Foto im Augenblick der Katastrophe aus dem Apparat stammt, der später in den Trümmern jener Hochhäuser gefunden wurde. Die Bildmontage wurde sogar bewusst sichtbar gelassen: Selbst die Hilfslinien des Bildverarbeitungsprogramms um die heranfliegende Boeing waren noch deutlich zu sehen.

Die Absicht des Ganzen zielte freilich auf den Katastrophentourismus mit dazugehörigem Abenteuereffekt. Die typisierte, anonyme Globetrotter-Figur sprach visuelle Bände und man erkannte unschwer, dass die Schöpfer dieses neuen virtuellen Touristenführers nicht nur bildbearbeitungstechnisch, sondern auch geschichtlich fit waren. Auch funktionierte der beabsichtigte Schneeballeffekt erfolgreich. Auf vielen Monitoren sah man damals jenes Erinnerungsfoto.
So war dieses irritierend visuelle Gemisch aus Ironie und Zynismus eines jener neuen Folgeerscheinungen des 11. Septembers 2001. Doch das war bekanntlich erst der Anfang. Bis heute wabern immer noch diverseste Verschwörungstheorien um die Anschläge durch alle Medien.

Doch mit voranschreitender Zeit erweisen die sich als immer abstruser. Dagegen wirken neueste Recherchen eines ZDF-Reporterteams geradezu offenbarend. Ausgerechnet in der Reihe "ZDF History" wurden aktuelle Interviews mit einem ehemaligen US-Geheimdienstchef und anderen leitenden Mitarbeitern veröffentlicht. Herausgekommen ist ein höchst banales Resultat. Im Vorfeld der Anschläge war schon außerordentlich viel über die Kommunikation und Bewegung der Terroristen bekannt. Allerdings standen sich alle die US-Geheimdienste bei ihrer Koordination gegenseitig im Weg. Mit anderen Worten: Schlamperei, Konkurrenz und ein gerütteltes Maß an klassischen Intrigen innerhalb des gesamten Apparates sollen letztlich zur Katastrophe geführt haben. Das allerdings lässt sehr tief blicken.

(Claus Bach)

 
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Autor: nbv