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Claus Bachs Bildarchiv: Vermaskt und zugenäht

22. April 2020 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

 

Der MNS ist die gebräuchliche Abkürzung für Mund Nasen Schutz. Bekannt auch als chirurgische Maske, medizinische Gesichtsmaske, Klinikmaske, OP-Gesichtsmaske oder ganz simpel, Hygienemaske. Das Online-Lexikon Wikipedia vermerkt weiter dazu: "Es handelt sich dabei um eine medizinische Gesichts-Halbmaske aus einer oder mehreren Papier- oder Vliesschichten, die mit Binde- oder Gummibändern am Hinterkopf oder hinter den Ohren fixiert wird."

Seit den letzten infektiösen Wochen dürfte sich jene Bezeichnung durch den massenhaften Bedarf und seiner Verwendung um mindestens eine erweitert haben: Die der sogenannten Volksmaske. Infolge akuten Mangels sind längst alle Zeitgenossen zur Selbstherstellung übergegangen. Spätestens nachdem immer mehr Bundesländer die Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und Gebäuden anordnen. Auf vielen Seiten im Internet finden sich denn auch kompatible Schnittmuster zu besagter Selbstfertigung: "Nähfrosch.de/Mundschutz zum selber machen" und so weiter. Selbstverständlich inklusive Video. Was bisweilen ein skurriles Erscheinungsbild maskierter bundesrepublikanischer Menschen zur Folge hat. Selber gemacht war schon immer etwas Besonderes. So sind mitunter schrille Exemplare auszumachen: Von grell-bunt bis hin zur Abbildung populärer Labels. Dabei wird die berühmte rote Mick Jagger-Zunge der Rolling Stones besonders gern genommen. Aber auch andere weniger bekannte Motive fallen auf. Beispielsweise kleine Grafiken oder fotografische Darstellungen der eigenen verdeckten Nasen- und Mundpartie. Am gebräuchlichsten allerdings ist selbstverständlich die klassische Resteverwertung alter Textilien wie Bettlaken, Hemden, T-shirts, Tischdecken und dergleichen. Beim Anblick jener verwendeten Stoffe stellt sich mitunter auch ein Déjà-vu an vergangene Zeiten ein. Allen Bemühungen der Selbstherstellung ist freilich gemeinsam, der befremdlich-maskierten Situation möglichst eigene Individualität entgegenzusetzen. Denn das beklemmende Antlitz entindividualisierter zweibeiniger Figuren ist bis heute immer noch mehr als gewöhnungsbedürftig und fordert die kreative Energie vieler Mitmenschen heraus.

So hat jene gesichts-anonymisierende Volksmaske durchaus das Zeug zum neuen Mode-Hotspot. Der ordinäre Bikini wird zum Trikini und so weiter. So schnell kann jeder umständehalber zum Designer werden. Wenn es der Verhütung dient, ist jedes Mittel recht. Also wird es doch noch was mit dem verdinglichten Nutzen, der so oft als nutzlos verschriehenen Kunst.

 

(Claus Bach)

 

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Autor: nbv