Radio Beiträge

Claus Bachs Bildarchiv: "Into the light"

18. Januar 2017 / Radio, Stadtzeit

Mit Smartphone, Tablet oder kleiner Digitalkamera sitzen sie in ihren Zimmern und knipsen sich selbst. In ausgewählten Posen. Dabei ist meist der Kopf Hauptelement des Bildes. In verschiedensten Positionen. Anschließend landet es in den diversen sozialen Netzwerken. Und so weiter.

Fotograf Wolfgang Hahn hat schon vor einigen Jahren eine Serie über jenes Phänomen des frühen 21. Jahrhunderts produziert. Dabei hat er sich zuerst selbst in die social Network-Szene begeben und Kontakte zu den Probenden hergestellt. Danach hat er die meist jüngeren Personen bei genau diesen Tätigkeiten aufgenommen und ihre Kommentare jenen Bildern gegenübergestellt. „Into the light" nannte er seine Serie. Herausgekommen ist dabei ein aufschlussreicher Parcours über die Befindlichkeit der Selbstdarsteller. Aber auch über ihre Motivationen. Die sind dabei recht unterschiedlich und reichen von narzistischer Selbstdarstellung bis hin zum zwanglosen Zeitvertreib. Aber auch die Suche nach neuen Freunden und Freundinnen spielt eine Rolle. Und auch der Moment, ab sofort Mitglied der Szene zu sein. Am besten sogar ein wichtiges. Was sich aus der Anzahl der Selfie-Posts ergeben könnte. Viel hilft viel. Nicht zu vergessen auch die Fertigkeit, ein möglichst wirkungsvolles Selfie zu generieren. Freilich ist dessen visuelle Halbwertszeit äußerst begrenzt und macht süchtig nach der Produktion neuer Selbstbildnisse.

Beim betrachten von Wolfgang Hahns Bildern kommt man über ein gewisses Staunen nicht hinweg. Denn alle Bilder wirken befremdlich künstlich. Freilich wurden sie im Zusammenspiel mit den Akteuren aufgenommen. Der Blitz der kleinen Smartphones hebt besonders ihre Gesichter hervor.
Und verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig sich die meisten nehmen.

Andy Warhols berühmter Spruch „Ab sofort ist jeder für 15 Minuten berühmt" hat eine neue Art von Demokratisierung durchlaufen. Aus den 15 Minuten wurde nun ein Bruchteil. Jetzt dürften es höchstens noch fünf sein. Wenn überhaupt. Und mit der Berühmtheit hat es auch seine Schleuder. Denn die verschwindet in der Beliebigkeit der Netzwerke. Was nicht ganz frei von Ironie ist. Ab sofort sind alle nicht mehr berühmt, sondern schlicht allein. Auch, weil das visuelle elektronische Medium ein außerordentlich präzises ist und nicht eine einzige Lücke aufweist. Alles ist sichtbar, nichts bleibt verborgen. Geheimnisse sind dabei der allergrößte Störfaktor.

Ein Teil dieser Bilder ist noch bis zum 29. Januar in der örtlichen ACC-Galerie in der Gruppenausstellung „Alle Achtung – zur Ökonomie der Aufmerksamkeit" ausgestellt.
Ein Besuch sei dringendst empfohlen.

Autor: jep