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11. NSU-Sondersendung: Tag X2

12. Juli 2018 / Radio, NSU-Sondersendung,Mediathek
NSU-Sondersendung zur Urteilsverkündung
NSU-Sondersendung zur Urteilsverkündung

Heute ist nach über fünf Jahren, das sind insgesamt 437 Sitzungstage, das Urteil gegen Beate Zschäpe und die vier mutmaßlichen Unterstützer Ralph Wohlleben, Holger G., Carsten S. und André E. gefallen. Sie sollen für zehnfachen Mord, 2 Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle die Verantwortung übernehmen. Radio LOTTE Weimar hat von Anfang an den Prozess mit mehr als 170 Beträgen, Sondersendungen und Veranstaltungen begleitet.

Allem voran jedoch saß in diesen fünf langen Jahren Fritz Burschel für uns kontinuierlich im Gerichtssaal und erstattete uns sachkundig, wach und kritisch seine Prozessberichte. Er verfolgte nicht nur den Prozesshergang, erlebte die bekannten Wendungen, Rückschläge sowie das Verhalten von Angeklagten und Zeugen – er erlebte die Verstrickungen, Verschleppungen sowie Vertuschungen und auch das große Leid von den hinterbliebenen Angehörigen der Mordopfer hautnah mit. Wir sprachen mit ihm kurz vor der Urteilsverkündung.


Mehr als fünf Jahre dauerte der NSU-Prozess. Immer mehr Details hat er ans Licht gebracht oder wenigstens benannt. V-Männer, Ermittlungspannen, die Vorverurteilung durch staatliche Organe und die Medien. Was hat das mit der Gesellschaft gemacht, welche Spuren hat der NSU-Komplex in unserer Gesellschaft hinterlassen?
Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Juliane Karakayali, sie ist Soziologin und lehrt und forscht insbesondere zu Rassismus und Migration an der Evangelischen Hochschule Berlin.


Den Hinterbliebenen der Opfer und den Geschädigten des NSU-Terrors zuhören! Das passierte in den insgesamt 438 Verandlungstagen des Prozesses nur unzureichend. Zu diesem Ergebnis kommen die Anwälte der Nebenklage – erst zum Ende durften Angehörige das Wort ergreifen. Dabei stand auch Abdulkerim Şimşek, der Sohn eines der Ermordeten im Mittelpunkt. Vor dem Urteilsspruch richtete er noch einmal bewegende Worte an die Öffentlichkeit.


Zum sogenannten Tag X2 schaut ganz Deutschland nach München. Dementsprechend sind natürlich auch viel Journalisten und Reporter vor Ort, um wie wir über die Urteilsverkündung zu berichten. Unsere Kollegin Emma Seifert hat gestern vorab einige von ihnen befragt, was ihre Erwartungen, Hoffnungen und Ängste an den heutigen Tag sind.


Im Frühjahr 2013, kurz bevor der NSU-Prozess begonnen werden sollte, gab es berechtigte Aufregung darüber, dass man trotz acht von zehn türkischstämmigen NSU-Mordopfern keinen Platz für akkreditierte türkische Medien eingeplant hatte. Damals kam es dann folgerichtig zu einer Neuvergabe der Akkreditierungen.
Auch am Prozessende sind türkische Medien vor Ort und berichten über die Urteilsverkündung. Wir sprachen darüber mit Ahmet Sisman, er ist Reporter des türkischen Fernsehsenders TRT, und wollten von ihm wissen, wie die türkischen Medien diesen Prozess während der Jahre verfolgt haben.


Den Hinterbliebenen der Opfer und den Geschädigten des NSU-Terrors zuhören! Das passierte in den insgesamt 438 Verandlungstagen des Prozesses nur unzureichend. Zu diesem Ergebnis kommen die Anwälte der Nebenklage. Einer der Geschädigten ist Arif S. Er ist einer der Betroffenen des Nagelbombenanschlags vom 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße. Er richtete gestern (10.7.) einige Worte auf Türkisch an die anwesenden Journalisten. Übersetzt wurde er von seinem Anwalt Alexander Hoffmann. Und diese Rede inklusive Übersetzung hören Sie hier.


Die Aufarbeitung der NSU-Morde wird, darf und kann nicht mit dem Urteilsspruch enden! Da ist sich die Initiative "Kein Schlussstrich" sicher und wird alles daran setzen, dass das Gedenken auch nach Ende des Prozesses nicht vorbei sein wird. Ein Beitrag von Markus Pettelkau.


Am heutigen Tag der Urteilsverkündung im NSU-Prozess engagieren sich in zahlreichen Städten der Bundesrepublik viele, viele Menschen in einem Bündnis "Kein Schlussstrich". Direkt vor dem Oberlandesgericht haben sich seit 8 Uhr auch schon einige Demonstranten versammelt. Was dieses Bündnis heute in die Öffentlichket tragen möchte, darüber sprachen wir mit Patrycja Kowalska.


Das Urteil im NSU-Prozess ist verkündet: Lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe, sie wurde des zehnfachen Mordes schuldig gesprochen. André E. wurde zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Holger G zu drei Jahren Haft. Beiden wird die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt. Ralf Wohlleben ist wegen Beihilfe zum Mord zu zehn Jahren haft verurteilt und Carsten S. bekommt eine Jugendstrafe von drei Jahren. Fritz Burschel berichtet für uns direkt aus dem Gericht.


Für die Angehörigen der Opfer des NSU ist der heutige Tag kein Abschluss, egal wie das Urteil lautet. Denn die Mordserie ist immer noch nicht komplett aufgeklärt. Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer sieht die Gefahr, dass durch das Ende des Prozesses drei Mythen bestehen bleiben, die so nicht stehen bleiben können.
Für seine Mandantin Gamze Kubaşik, Tochter des ermordeten Mehmet Kubaşik, ist jeder dieser Mythen ein Stich ins Herz.


Es ist erstaunlich, wer sich so alles für diesen Prozess in München interessiert: Rechtsanwälte, Politiker, Journalisten und auch Künstler beobachten aufmerksam das Geschehen und bilden sich natürlich eine Meinung. Vor ziemlich genau 5 Jahren, haben wir schon einmal mit dem Künstler Sebastian Krumbiegel, Sänger in der Band "Die Prinzen", über den Prozess gesprochen. Shanghai Drenger sprach nun erneut mit ihm.


Der NSU Prozess erfährt mit der Urteilsverkündung, große mediale Aufmerksamkeit. Aber nicht nur die weltweiten Medien beobachten den Prozess, auch zahlreiche antifaschistische und antirassistische Bündnisse haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Prozess kritisch zu begleiten und zu protokollieren. Das wohl wichtigste Bündnis hierzu ist NSU Watch, wir sprachen mit Carolin Keller.


Gestern Mittag bereits gab es hier in München eine große Pressekonferenz der Nebenklage-VertreterInnen. Neben einigen unmittelbar von den NSU-Anschlägen Betroffenen stand auch der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann für Fragen der JournalistInnen bereit.


Die Urteile im NSU-Prozess sind verkündet worden und vor dem Oberlandesgericht in München gibt es die ersten Statements. So hat sich auch Petra Pau, die Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags nach dem Urteil geäussert.

Wie viele engagierte Politiker, verfolgt auch die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Martina Renner, als eine der ersten den NSU-Prozess. Vor ihrer Wahl in den Bundestag 2013, war sie Obfrau des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag von Thüringen. Wir sprachen mit ihr nach der Urteilsverkündung.


Die Urteile sind verkündet wurden, jedoch sollte bei dem ganzen Prozess-Gewimmel der eigentliche Grund des Verfahrens nicht aus den Augen verloren werden - die Opfern des NSU Terrors . Wir waren auf der Kundgebeung von "Kein Schlussstrich" und haben zusammen mit den anwesenden der Opfer gedacht.

Autor: jep