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Claus Bachs Bildarchiv: Die Kunst der Simulation

28. März 2018 / Radio, Stadtzeit,Mediathek
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach
Claus Bachs Bildarchiv, Foto: Claus Bach

Wer in diesen Tagen die gleichnamige Ausstellung in der örtlichen ACC-Galerie besucht, wird sogleich mit der großflächig tapezierten Printausgabe der „New York Times"konfrontiert. IRAK WAR ENDS! lautet die Headline.

Dabei handelt es sich um eine gefälschte Sondernummer der berühmten Tageszeitung vom November 2008. Und weitere Nachrichten wie „G.W. BUSH ist des Hochverrats angeklagt" ließen viele Leser genauer hinsehen und kichern: Denn dass ausgerechnet der größte Gensaat-Produzent Monsanto mit Maikäfern für die Schädlingsbekämpfung wirbt, war doch sehr unwahrscheinlich. Auch sollte eine sogenannte Öl-Steuer den Ausbau von Fahrradwegen in New York und die Einführung einer nationalen Gesundheitsversorgung finanzieren. Freilich allesamt Lügen, dass sich die Stahlbetonpfeiler nur so bogen. Und selbst das Erscheinungsdatum des Blattes wurde vorausschauend auf den kommenden Nationalfeiertag der USA gelegt.

All das sollte ein medialer Forderungskatalog an die damals neu gewählte US-Regierung sein. Das kostenlose 14 seitige Blatt wurde in einer Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren mittels Spenden produziert und in Großstädten wie New York, Los Angeles, San Fransisco und Washington von etwa tausend Helfern verteilt. Kurz darauf hatte es weltweit Furore gemacht.

Die Beiträge sollen von ungefähr 30 Autoren stammen, darunter auch einige der echten „New York Times". Hinter diesem clever eingefädeltem Fake steht die amerikanische Netzkunst-und Aktivistengruppe „The Yes Men". Bis heute sollte das ihr größter subversiver Coup bleiben. Er zielte klar auf die verfehlte Politik der damaligen Bush-Administration und wollte zugleich vorbeugenden Druck auf die nachfolgende Regierungunter Barak Obama ausüben.
Mit Ihrer Art Kommunikationsguerillia hatten „The Yesmen" schon andere spektakuläre Aktionen - unter anderem die einer gefälschten Webseite der Welthandelsorganisation - gelandet.
Indess ist die Strategie, in Vorzeiten gefühlter gesellschaftlicher Veränderungen eine wichtige auflagenstarke überregionale Tageszeitung zu fälschen und zu verbreiten, so neu nicht.

Nachfolgend ein Beispiel aus der jüngsten deutsche Geschichte:
Im März 1988 passierte ähnliches auf dem Territorium der DDR. Das Team des Hamburger Szenenmagazins „TEMPO" fälschte vom Westen aus eine Sonderausgabe des SED-Parteiblattes „Neues Deutschland" und verteilte anschließend 6000 Stück in einer Nacht- und Nebelaktion im Osten. Eine ausführliche Schwarzweiss-Fotostrecke in Heft 4/1988 des Magazins dokumentierte das Ganze und zeigte die irritierten Gesichter der DDR-Werktätigen: Denn zu lesen gab es damals Artikel wie „Der neue Glasklar-Kurs der SED erobert die Herzen der Massen" und „Volkskammer beschließt bürgernahe Politik", oder: „DDR schafft Atomkraftwerke ab". Und selbstverständlich: „Reisefreiheit für alle Bürger!". Bekanntlich wurden einige dieser Headlines knapp zwei Jahre später Realität.

Die Schlagzeilen der gefakten „New York Times" hingegen haben sich bis heute nicht wirklich erfüllt. Weitere Details können noch bis zum 06. Mai in der ACC-Galerie nachgelesen werden.

 

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Claus Bachs Bildarchiv: Die Kunst der Simulation

Autor: nbv